Ein Blogbeitrag Skitouren im Kleinwalsertal
Beitragsbeschreibung Hoher Ifen, Güntlespitze usw.
2/18/20087 min read
Mein Beitragsinhalt Grasberge und Gottesäcker – Skitouren im Kleinwalsertal
Makellose Skigipfel in den Allgäuer Alpen
Das Kleinwalsertal ist eine vom österreichischen Heimatland abgeschnittene Enklave mitten in den Allgäuer Alpen. Zufahrt und Versorgung sind so nur über deutsches Staatsgebiet möglich. Dank seiner hohen Niederschläge und der vielen ideal geneigten Grasberge ist das Hochtal ein Tourengebiet der Extraklasse. Vom Genießer bis zum Extremen findet hier jeder seine Traumtour. Selbst in schneearmen Wintern fällt genügend weiße Pracht um seiner Leidenschaft zu frönen. Im Herzen des Gebietes liegt strategisch ideal die Schwarzwasserhütte. Sie ist eine der wenigen Hütten in den Allgäuer Alpen die auch im Winter bewirtschaftet ist. Vor der Haustür sind Touren in alle Richtungen möglich. Spritztouren oder mehrtägige Unternehmungen über zahlreiche Gipfel.
Auch von Baad, dem hintersten Ort im Kleinwalsertal sind einige sehr lohnenswerte Skitouren möglich.
Gottesackerwände und Ifenstock – Bollwerk und Drachenhorst
Der ungewöhnliche Gebirgsstock des Hohen Ifen (2229#m) krönt das im Alpenraum einzigartige Gottesackerplateau mit seiner verkarsteten Oberfläche. Die wie Bollwerke der Natur aufgeworfenen Gottesackerwände, die sich über viele Kilometer hinziehen und der Ifenstock wirken fast unüberwindlich. Dennoch gibt es immer wieder versteckte kleine Scharten die auf das riesige 30 Quadratkilometer große Kalksteinplateau führen.
Nach einer alten Sage hausten in früheren Zeiten sieben schreckliche Drachen in diesem Steinmeer mit seinen Klüften, Höhlen und Steilwänden. Niemand wagte es so auf die fruchtbaren Almen sein Vieh aufzutreiben. Eines Tages aber tauchten die listigen kleinen Venedigermännle auf. Sie schickten ihre größten Lügenerzähler mitten in die Höhle der Drachenbrut. Dort zeigten diese Gold und glitzernde Steine her und erzählten fantastische Geschichten von unendlichen Schätzen im fernen Orient. Die gierigen einfältigen Drachen waren Feuer und Flamme und machten sich samt und sonders auf den Weg ins gelobte Land. Ihre riesigen schwarzen Flügel verdunkelten das Tal als sie davonflogen, und die schlauen Venedigermännle begannen sofort nach dem Gold zu schürfen dass sie auf dem Gottesacker verborgen wussten.
Vielleicht verbarg sich die Drachenbrut einst auch im Schlund des 76 Meter tiefen Höllochs dass auf dem Plateau liegt. Das Karstloch verbirgt an seinem Grund die mit 10 Kilometer längste Höhle Deutschlands.
Hoher Ifen Skitour
Die Skitour auf den Drachenhorst des Hohen Ifen startet an der Auenhütte im Schwarzwassertal. Sie ist wegen der steilen Übergänge auf den Ifenstock jedoch nicht ungefährlich und sollte nur bei sicheren Verhältnissen gewagt werden. Über die langgezogene und herrlich wie eine Halfpipe geschwungene Ifenmulde erreicht man den Gottesacker. Südlich der Mulde an der Ifenmauer ragen Grate, Zapfen und geblockte Felsbänder empor die an die Dolomiten erinnern. Nirgends scheint dort ein Durchstieg möglich, aber einige Trittspuren führen dennoch links geradewegs auf senkrechte Wand zu. Ohne Ski stapfen wir mühsam und halsbrecherisch steil nach oben. Kurz vor der Bresche muss man die Ski bis zur Bindung in den tiefen Schnee rammen um sich daran hochzuziehen. Vor mir müht sich eine Vater – Sohn Seilschaft ab, der Sohn will bald ins Ausland zum Studieren und das ist ihre gemeinsame Abschiedstour. Wir sind heilfroh das heute sichere Lawinenverhältnisse herrschen.
Die sanft nach Süden geneigte Gipfelkuppe endet mit jähen Nordabstürzen über dem endlos weiten Karrenmeer und gleicht einer Aussichtskanzel mit Panoramablick bis zum Bodensee. Unser Auge verliert sich in unendlichen Räumen, nichts stört, nichts hält auf, nichts begrenzt. Ein großes Stück >Natur< ist das geschützte Gottesackerplateau, wenn auch ein gefährliches mit all seinen Spalten, Klüften und messerscharfen Graten.
Wir haben es nicht eilig, die Sonne schmilzt die verharschten Südhänge vor unseren begehrlichen Augen zu traumhaftem Firn. Wenn er allerdings oben gerade ideal ist bricht man unten längst schon wieder ein.
Der butterweiche Firn erlaubt uns herrliche Schwünge bei der Abfahrt, aber auch im Süden bricht der Ifenstock plötzlich steil ab. Nur eine steile felsige Platte, über die auch der Sommerweg läuft, bleibt uns als Durchschlupf. Leider ist sie extrem lawinengefährdet und jedes Jahr sieht man hier Lawinenstriche abgehen.
Riskante Manöver
Einfallsreiche Einheimische haben sich aber ein äußerst waghalsiges Manöver ausgedacht um die Tour nach Neuschneefällen gehen zu können. Vor der Felsplatte hüpfen sie an der Steilstufe auf und ab, wie cholerische Rumpelstilzchen, bis die Lawine ausgelöst ist. Dann warten sie kurz, um dann seelenruhig an der entladenen Rutsche abzuwedeln als ob sie nie etwas anderes getan hätten. Respekt vor soviel Chuzpe aber nicht zur Nachahmung empfohlen.
Die direkte Südabfahrt ist inzwischen Wildschutzgebiet, deshalb queren wir zum Hählekopf nach Westen. Der Grund für die Sperrung sind Raufußhühner die in Schneehöhlen die kalten Nächte verbringen.
Am Gerachsattel zwischen Steinmandl und Hählekopf kann man die morgige Führe zum Falzerkopf und die steile Westabfahrt am Steinmandl schon mal inspizieren.
Magisches Licht
Das Steinmandl ist von Osten einfach zu besteigen und eine Super Draufgabe für den heutigen Tag. Am Gipfelkreuz lassen wir in absoluter Ruhe und Einsamkeit die Sonne langsam untergehen. Bei der Abfahrt zur Schwarzwasserhütte taucht der Mond die Berge in kaltes blaues Licht, sie scheinen einer märchenhaft, unwirklichen Schattenwelt entsprungen.
Schwarzwasserrundtour über 4 Gipfel
Die kleinen Zimmer in der gemütlichen Schwarzwasserhütte sind schon fast Luxus, aber sehr willkommen um eine ruhige Nacht mitten in den verschneiten Allgäuer Alpen zu verbringen. Frühmorgens geht es durch die nächtens klirrend kalt aufgefrorenen Schneekristalle hoch zum Steinmandl. Am selten befahrenen Westhang liegt perfekter einladender Pulverschnee nur sollte der im Gegensatz zu mir bleiben wo er ist. Zuerst grabe ich daher ein Schneeprofil, denn viele Schneerutsche zieren bereits den kurzen steilen Hang.
Über das flache Quellgebiet der Subersach muss etwas mühselig gequert werden, um den Einstieg zum Neuhornbachjoch zu erreichen. Mit einigen hakligen Spitzkehren erreicht man den Ostgrat der dann zum Falzerkopf auf 1967 Meter führt.
Der steile Südhang leitet hinab zur Neuhornbachalpe. Dort wird wieder einmal aufgefellt und über die baumfreien Hänge Richtung Osten zum Grünhorn gespurt. In der langen Kette von Grasbergen ist er der höchste und beliebteste Skitourenberg. Wie im Zentrum eines Spinnennetzes sammeln sich am Gipfel Tourengeher die alle darauf fiebern den traumhaft eingeschneiten Gipfelhang unverspurt zu genießen. Aber egal wie früh man aufsteigt, immer ist einer schneller. Es scheint fast sie übernachten am Gipfel.
Unzählige symmetrisch beieinanderliegenden Zopfmuster zieren bald den ideal geneigten Hang. Es sind Linien der Freude die auch abgebrühten Sportlern ein sonniges Lächeln ins Gesicht zaubern. Manchen gefriert es allerdings wieder beim Aufstieg zur Litzescharte an den Ochsenhoferköpfen (1960#m).
Gebietskenner steigen auch hier nördlich des Weges auf den langen Grat hoch, suchen sich eine unbefahrene Steilrinne und legen ihre Duftmarke, ihre ganz persönliche Spur hinein. Wobei der Normalweg am Nordhang der Litzescharte auch schon spektakulär ist. Er bietet meist den besten Schnee weit und breit und damit die schönste Abfahrt bei der ganzen Schwarzwasserrunde.
Ideale Skiberge Güntlespitze und Üntschenkopf
Bergsteigende Hunde
Wer noch eine Begleitung für seine Bergtour sucht könnte in Baad auf Benny treffen. Der inzwischen durchaus bekannte Appenzellerhund hat mit vier Monaten seine erste Bergtour gemacht. Seitdem sucht der bergbegeisterte Vierbeiner bei jedem Hundewetter Seilschaften, die er gut riechen kann und dann ungefragt begleitet. Inzwischen trägt er ein Halsband mit Telefonnummer damit die Bergsteiger dem Besitzer Bescheid geben können wo sein Ausreißer gerade steckt. Wird Benny der Heimweg durchs Kleinwalsertal zu lang dann springt er auch schon mal in den Walserbus und fährt schwarz nach Hause.
Tür ins Wintermärchen
Aber auch ohne Benny öffnet sich dem Skitourengeher eine Tür ins Wintermärchen in Baad im hintersten Kleinwalsertal. Nur eine davon ist die auf die scharfe Schneide der Güntlespitze, einem beinahe perfekten Skiberg.
Beim Start am Derrenbach in Baad liegt Neuschnee. Beste Voraussetzungen könnte man meinen. Nur birgt, dass die Ungewissheit ob beim Aufstieg eine überhängende Schneewechte am Derrenjoch nicht der Tour ein jähes Ende setzt. Zu schön und verlockend ist aber die Aussicht auf bizarre Schneelandschaften im weiten hügeligen >White Out< der Derrenalpe.
Wir haben Glück, keine Wechte versperrt den anstrengenden langen Aufstieg. Der Schnee überzieht die Kuppen mit einem glitzernden Mantel, so vollkommen das man sich fast schämt Spuren darin zu hinterlassen. Ironischerweise ist es aber auch ein Riesenspaß als Erster irgendwo einzuspuren.
Diese Allgäuer Grasberge, mit ihren makellosen weißen Steilflanken sind im Winter mit ihren harmonischen, schlanken Linien, den monochromen, haltlosen Flächen, die reinste Erholung für das reizüberflutete Auge.
Der messerscharfe Gipfel der Güntlespitze zwingt uns die Skier abzuschnallen. Der Grat fällt auf beiden Seiten steil bis extrem steil ab und bietet kaum Raum für eine Rast.
Nur zwei Kilometer entfernt thront aber die formschöne Pyramide der Üntschenspitze und wir beschließen über das Häfnerjoch zu ihr aufzusteigen. Rechts unter uns lockt das Schreckbachtal mit seinem Pulverschnee im Nordhangschatten. Südlich der Üntschenspitze liegt der Bregenzerwald wie auf dem Präsentierteller. Aber vor allem der mächtige Felsklotz des Widdersteins im Westen raubt einem fast den Atem. Als es unheilvoll von ihm herüberdonnert ahnen wir nichts Gutes, und tatsächlich erfahren wir später daß sich dabei ein Lawinenunglück ereignet hat.
Halsbrecherische Abfahrten
Die Üntschenspitze birgt mit einer 50 Grad steilen, felsdurchsetzten Nordabfahrt eine der schwierigsten Abfahrten der Region. Nur ganz Verwegene wagen sie und das zurecht. Ein tödlicher Unfall vor wenigen Jahren zeigt die Ernsthaftigkeit des Unternehmens.
Uns genügt daher die schöne und vor allem sichere Abfahrt ins Derrental, von wo wir aber nocheinmal zum Hinteren Derrenjoch aufsteigen. Oben am Joch ruft plötzlich unser Tourenpartner erschreckt:
>>Schau mal<<, ich drehe mich um und spüre einen schwarzen Schatten über mir. Ein Steinadler hat sich von hinten im Tiefflug genähert. Eine Jagdtechnik mit der er Murmeltiere überrascht oder junge Gemsen an Felshängen in den Tod jagt. Er muss ziemlich ausgehungert sein, normalerweise meiden sie Menschen. Aber was soll er auch jagen? Kein Murmeltier, kein Schneehuhn, allenfalls ein verendetes Reh oder eine abgestürzte Gemse könnte er mit viel Glück im Winter finden.
Auf uns dagegen wartet nach der Abfahrt im stiebenden Schnee ein warmes Wirtshaus das uns in die Zivilisation zurückführt. Wir erleben nur >>Abenteuer auf Zeit<< in den Bergen.
Benny den bergsteigenden Hund würden Jäger übrigens gerne an die Kette legen, aber sein Besitzer und der Hund wissen nur zu gut, dass in den Bergen schließlich die Freiheit wohnt.
Autor Robert Mayer mit Copyright am Text




