Ein Blogbeitrag Arlberger Klettersteig und Roggspitze

Beitragsbeschreibung Atemberaubende Tour über die scharfe Gratlinie des Arlberger Klettersteiges, einem der schönsten und schwierigsten der Alpen.

Robert Mayer

7/20/20185 min read

Mein Beitragsinhalt Arlberger Klettersteig – Atemberaubend exponiert, geniale Gratlinie und traumhaft schöne Ausblicke!

Einer der schönsten Klettersteige der Alpen

Das ist die Gelegenheit, den lang gehegten Wunsch endlich zu erfüllen. Bettina unsere Seilpartnerin geht mit einer kleinen Gruppe auf den Arlberger Klettersteig. Ihre erste Tour als frischgekürte Fachübungsleiterin beim DAV. Natürlich füllen wir ihre Gruppe gerne zu einer ansehnlichen Größe auf. Seit Jahren schwärmen uns schließlich Freunde von diesem "Extremklassiker" aller Klettersteige vor. Von diesem luftigen und langen Seiltanz auf der Gratlinie. Sogar von scharfen Haizähnen erzählten sie, die man gesehen haben muss. Die Vorfreude ist geweckt und die Ulmer Hütte gebucht.

Ein Stück trägt uns die Galzigbahn hinauf, dann schleppen wir unser schweres Gepäck zur Hütte hoch. Am zweiten Tag wollen wir an der Roggspitze klettern, daher brauchen wir Seil und Sicherungsgeräte. Noch vor der Ulmerhütte (2288m) empfängt uns jovial der gutgelaunte Wirt. „Kommts rein und stellts euer Zeug ab. Den Rest regeln wir später.“

Er scheint genau zu wissen was wir wollen. Nämlich zügig weiter, die Gunst der frühen Stunde nutzen. Nach einem schnellen Kaffee ziehen wir ungeduldig hoch zum kahlen Valfagehrjoch (2543m). Am Matunjoch (2578 m), einige Minuten weiter ist der Einstieg in die zerklüftete Felsenarena des Lisungrates.

Kalt und Schwierig Eine kühle Brise lässt uns frösteln und das Drahtseil schneidet kalt und unangenehm in die Hand. Still und konzentriert hangeln wir uns daher hoch. Schon nach dem ersten Turm zeigt der Steig erstmals seine Zähne. Am eiskalten Fels und dünnen Seil geht es fast senkrecht hinunter. Verzweifelt suchen die Zehen Halt wo manchmal keiner ist. Da hilft nur noch die Beine in den Fels zu stellen und sich ins Drahtseil zu spreizen. So hangeln wir vorsichtig nach unten.

„Das kann ja noch lustig werden!“ meint Berthold unten trocken. Warm geklettert ziehen wir in einer kleinen Ameisenstraße hinauf zum nächsten Turm. Abwechslungsreich am Westgrat auf Südwand hängen wir wie Hühner auf der Stange. Stangen aus Baustahl, die uns geradezu über dem Abgrund schweben lassen.

Kalter Schweiß Die Schlüsselstelle unter der Knoppenjochspitze (2680 m) treibt den Klettersteigaspiranten in Bettinas Truppe den kalten Schweiß auf die Stirn. Senkrecht nach oben zieht sich die Himmelsleiter, allerdings gibt es immer Felstritte zum Antreten, wenn man sie denn findet. Das ist auch gut so, denn schon im ersten Drittel des Steiges Saft und kraftlos zu sein, dass könnte böse enden. Aber der Fels ist warm und der Kalk strahlt freundlich in der Sonne. Als ich von oben um ein Lächeln für die Kamera bitte ist die Reaktion trotzdem nur ein tiefes Schnaufen und Kopfschütteln.

Steile Absteige sind wir nun gewohnt, deshalb ist der zur Lorfescharte hinab kein Problem. Über einige fotogen Zapfen geht es sanft zu einem Joch am Westgrat. Der Anblick jetzt ist eine Augenweide, wenn auch etwas beängstigend. Der Lorfekopf steht vor uns wie ein felsiger Alptraum. Messerscharf fällt er glatt und steil nach beiden Seiten ab, wie die geschwungene Schneide eines Beiles zerteilt er den Horizont in zwei Teile. Links die Wildnis im einsamen Almajurtal, rechts der Hotspot in St. Anton am belebten Arlberg.

Wir turnen beeindruckt über den Grat auf den Lorfekopf (2689 m), und stellen überrascht fest, dass er fast einem Spaziergang gleicht. Nur nicht beeindrucken lassen und Schritt für Schritt planen, bewährt sich immer wieder. Am Abstieg ist es dann aber wie gewohnt steil und anstrengend.

Bettina ist etwas genervt von uns, dem undisziplinierten Haufen übermütiger Begleiter. Nur die Neulinge bleiben brav bei ihr. Wir klettern eher verspielt vorne her, und ja, wir sind alles andere als vorbildlich. Aber das tolle Ambiente verleitet geradezu zu kapriziösen Spielereien. Es ist ein Abenteuerspielplatz hier, aber ein ernstzunehmender.

Denn jetzt sind wir endlich am Lisungrat, und damit an den sagenhaften Haizähnen. Sie ragen messerscharf aus dem Grat empor. Teils zwängt man sich zwischen den Zähnen durch, teils klettert man die schmalen Nadeln hinauf. Hinten dann wieder hinunter, Spektakulär und fotogen sind sie allemal.

Auf einer kurzen Rast lecken wir unsere Wunden, Blasen, schmerzende Oberschenkel und aufgescheuerte Handballen, wenn man auch keine Handschuhe trägt! Leider sieht man jetzt schon die letzte Erhebung vor der Nase aufragen, der Anstieg ist aber nur noch für die Gipfelstatistik wichtig. Nach vier Stunden sind wir auf der Weißschrofenspitze (2752m), dem Endpunkt angelangt. Jetzt ist endlich Zeit das perfekte Panorama auf die umliegenden Gipfel zu genießen, meint man sich doch am Ende der Torturen. Vor allem die Allgäuer und die Lechtaler Alpen im Norden zeigen ihre schönste Seite. Im Süden brennt die Sonne vom Himmel, dort ist auch der vermeintlich leichte Abstieg. Aber schon die ersten Meter zeigen: Man braucht das Klettersteigset weiterhin dringend! Auch hier warten steile und schwierige C/D Stellen. Nach einer weiteren Stunde sind wir dann unten am Kapallsattel. Es ist schon fast halb vier und für einige Zeit die letzte Bahn zu erwischen.

Bettina verabschiedet ihre erste Klettersteiggruppe, die sie erfolgreich und gesund durch einen der fünf schönsten und anspruchsvollsten Klettersteige der Alpen geführt hat. Sie wirken müde, aber ihre leuchtenden Augen zeigen, dass sie auch sehr glücklich und zufrieden sind.

Wir dagegen landen nach einer Querung wieder in der gastlichen Ulmer Hütte. Der Magen knurrt und die Küche hat bekanntlich einen guten Ruf. Vor allem der Nachtisch, eine Creme Brûlée, lässt die Herzen schmelzen und reißt Barrieren nieder. Der Hüttenwirt Sven hat immer einen lockeren Spruch und auch mal ein Schnäpschen auf Lager. Beim Kartenspiel wartet Sven dann mit Anekdoten auf, über Prominente die der Hütte schon einen Besuch abstatteten. Kein Wunder, bei der Lage im Herzen eines überragenden Skigebietes. Immerhin liegt hier sogar die Wiege des Skifahrens, das behaupten zumindest die Arlberger.

Roggspitze Für uns ist die Tour noch nicht zu Ende, wir gehen am nächsten Morgen über die Trittscharte (2580m) hinüber zur Roggspitze (2747m). Wie ein Dorn thront sie über dem Talschluss des Almajurtales und den ganzen letzten Tag hatten wir sie verlockend vor den Augen. In der Führerliteratur vergangener Tage wird sie so beschreiben: „Der verwegenste, trotzigste Recke unter allen Erhebungen der Lechtaler Alpen.“ Dem können wir nur zustimmen, sie ist ein steiler Zahn, die Roggspitze.

Der Südgrat eine Route im vierten Grad hat es uns daher angetan. Der Einstieg am Gipfelwändle ist einfach und angenehm zu klettern. Nur Sicherungen sind rar gesät. Eine alpine Route merken wir schnell. Nach einer unerwarteten grasigen Querung hinüber auf die Westseite geht es an der breiten Wand weiter.

Im dritten Grad klettert man durch die gut strukturierte Wand bis zu einer leichten Verschneidung. Die ist etwas schärfer zu klettern und die Schlüsselstelle der Tour. Eine senkrechte Wandstelle. Hier finden sich Haken, die sonst eher dünn gesät sind. Man könnte die Route auch etwas höher bewerten.

Ein Blick nach oben, also nach ganz oben, zeigt das der Himmel rasend schnell zuzieht.

Also geben wir richtig Gas. Mit einer leichten Querung nach links geht es weiter. Bei Bettina, die gerade vorsteigt, reicht etwas Seilzug, um erstaunlicherweise die Expresse von allein auszuhängen. Dann geht’s einfach zu einem Kamin. Hier ein Stück nach oben und dann auf den Austiegssriss. Der zieht hoch zu einer Kante über die der Gipfel noch vor dem ersten Regen erreicht wird.

Autor Robert Mayer 26.02.2018 Copyright beim Autor