Sueños del Pacífico: Mit dem Mountainbike durch Costa Rica und Nicaragua
3/26/202576 min read
Costa Rica - Suenos del Pacifico (Pazifische Träume)
Die schmierig-rote Piste führt steil den Berg hinauf, mitten hinein in eine grüne Wand aus Schlingpflanzen, gewaltigen Urwaldriesen und mannshohen Farnen. Es ist heiß und feucht. In einem kleinen Busch am Straßenrand, hat sich eine knallgelbe Giftschlange um einen Ast gewickelt. Plötzlich brüllt etwas ohrenbetäubend aus dem Blätterdach über mir. Es sind Brüllaffen die lautstark darauf aufmerksam machen, das ich in ihr Revier eindringe. Im dunklen Blätterwald sind sie nicht zu erkennen. Aus den dunklen Wolkenmassen die gegen Nachmittag aufziehen, fällt ein kühlender Schauer der das grüne Laub zum glänzen bringt, während der Waldboden sich in zarte Nebel hüllt.
So ähnlich stelle ich mir in Gedanken eine Radtour durch Costa Rica vor. Ist es nicht das Land mit den meisten und anteilsmäßig größten Nationalparks der Welt. Voller erhabener Vulkane und wundersamer Blüten und Pflanzen. Belebt mit raren und wunderlichen Tieren aus beiden Teilen des amerikanischen Kontinents. Ein Paradies also wo Träume wahr und Sehnsüchte gestillt werden.
Um es hautnah zu erleben werde ich es mit dem Bike und zu Fuß erobern. Das schafft Nähe und Intensität, die Zeit gute Fotos zu machen und nette Leute zu treffen. Mein Mountainbike bringe ich mit, ein Zelt für die vielen Parks und dann nur noch das allernötigste. Karte, Foto, Filme… einen Kopf voller Ideen und Abenteuerlust für sechs Wochen.
12.11.05 Atenas –Desmonte Rundtour
Strecke: 30km Höhenmeter: 800m
Nach der Ankunft am 11.11. wird dies die erste Tour zum Einrollen.
Auf der stark befahrenen engen Strasse nach Jaco geht es hinauf zu den Cerros Atenas auf 1000m. Auf dem Pass oben hat man einen guten Überblick über die Cerros Atenas.
Die meisten dieser grünen eher sanften Hügel sind mit Plantagenkulturen durchsetzt.
Hier gibt es jetzt in der Regenzeit noch sehr viel Nebel. Die Vegetation mutet fremd und exotisch an. Bambus, Farne, die riesigen Ceibas, die faszinierend bunte Rinde angebauter Eukalyptusbäume, Zitronen und Orangen. Dazwischen mit Tukan, Mot Mot und Eisvogel nur einige der vielen tausend Vogelarten, in diesem an genetischer Vielfalt fast überquellenden Land.
Kaffeeernte
Das Klima und die Höhenlage ist ideal für das Wachstum von Kaffee, der ja auch im Schatten von Bäumen in guter Qualität gedeiht. Jetzt im November ist Erntezeit und man sieht viele LKWs mit Kaffeepflückern auf dem Weg zur Arbeit. Die Pflücker, oft aus dem Nachbarland Nicaragua, und einige der indianischen Ureinwohner Costa Ricas sammeln die reifen roten Beeren vom Kaffeestrauch. Die bunten hölzernen Kaffeespeicher am Wegrand haben sie fast schon gefüllt. Abends lässt man die Kaffeebohnen direkt auf die Ladefläche von Lkws herunterrieseln.
Die Pflücker wohnen während der Ernte in einfachen Holzbaracken. In der Gegend gibt es nicht viel Abwechslung. Aber heute am Freitag ist Zahltag und die Lastwagen sind voller Menschen. Sie sind in Feierlaune und freuen sich auf das Wochenende und einige kühle Biere. Oben am Pass hat ein Bauer einen kleinen Stand aufgebaut und Plastiktüten voller Orangen drangehängt. Aber die meisten der vielen Fahrzeuge fahren eilig vorbei. Zwischen seinen Beinen spielt sein kleiner Sohn. Die Mutter steht etwas scheu abseits. Nicht weit entfernt sind ihre Orangenbäume, von deren Früchten sie sich gerade so ernähren. Der Saft ist wohl verlockend süß, aber die zähen Zellhäute der Schnitze sind fast ungenießbar. Wohl deshalb werden sie hier einfach ausgelutscht. Er erzählt mir das die Strecke sehr stark befahren ist, und das viele Fahren wie die Verrückten. Jetzt am Wochenende strömen die Ticos vom kühlen Hochland hinunter ans Meer zum Baden und Feiern.
13.11.05
Atenas - Vulkan Poas
Bergiges Land
Strecke: 90km. Höhenmeter: 2000Hm.
Die Sonne spielt am frühen Morgen mit den silbrigen Ähren des Zuckerrohres die sich sanft im Wind wiegen. Im Hintergrund leuchten zart die Umrisse der vielen Hügelketten, die sich in Richtung Cordillera Central und San Jose erstrecken. Costa Rica ist ein außerordentlich bergiges Terrain. Beständig geht es auf und ab. Zudem sorgen die wasserreichen Flüsse, im Verbund mit den hohen Niederschlägen, für tief eingegrabene Schluchten und Täler. Noch vor meiner Ankunft gab es einige verheerende Überschwemmungen.
Die meisten der Strassen hier sind der Kontur der Landschaft nicht aufgezwängt, sondern harmonisch eingefügt. Das heißt nichts anderes, als das jede Erhebung hinauf und jede Senke hinunter gefahren wird. Man erlebt und erleidet das Land unmittelbar.
In Grecia steht eine schöne rote Kirche in einer hübschen kleinen Stadt die friedlich und konservativ wirkt. Der Park ist perfekt gepflegt die Bäume geschnitten und das Radfahren darin verboten, so wird mir umgehend mitgeteilt.
Bikerrevier Costa -Rica
In San Pedro treffe ich einen Rennradfahrer der gerade nach Hause kommt. Seine Eltern betreiben das Geschäft in dem ich mich gerade mit Wasser Bananen Brot und Wurst eingedeckt habe. Wir kommen ins Gespräch, und auf einer Karte zeigt er mir die wirklich lohnenswerten Touren in seiner Heimat. Rund um den Arsenalsee, von Fortuna nach San Isidro. Auf der Peninsula de Osa, oder von San Jose nach Los Chiles. Leider spricht er so schnell wie er auch Fahrrad fährt, und ich habe mich noch nicht an das Spanisch gewöhnt. So drücke ich ihm einen Kugelschreiber in die Hand, mit dem er die Strecken in meine Karte einzeichnet. Jede freie Minute verbringt er auf Touren durch sein geliebtes Costa Rica. Von Beruf ist er Müller und sein Bruder fährt professionell Radrennen.
In San Gertrudis einem kühlen hochgelegenen Bergdorf ist ein Volksfest mit Fußballturnier und einem Wettrennen. Mit viel Begeisterung wird auch der kleinste Teilnehmer noch angefeuert. Corre Corre. Aber die Kleinen bleiben manchmal einfach stehen oder laufen zurück in Mamas Arme. Sie kennen noch keinen falschen Ehrgeiz.
Vulkan Poas
Die Strecke zum Poas ist ein stetes auf und ab. Unausweichlich macht man jeden Höhenunterschied mehrmals. Den Jetlage noch in den Knochen ist das ganz schön anstrengend. Auf 2000m Höhe wird es deutlich kühler, hier oben werden Erdbeeren angebaut und Windschutznetze bedecken ganze Hügel. Die Kinder der Landarbeiter nutzen die Netze kreativ als Trampolin. Als es kräftig anfängt zu regnen stelle ich mich unter eine Bushaltestelle auf die ein Graffiti: `´Costa Rica Pura Vida``, gesprayt ist. Die älteren Damen im Häuschen lächeln mich getreu diesem Motto an. Es wird mich auf dieser Reise immer wieder begleiten.
Jetzt im November neigt sich die Regenzeit zwar dem Ende zu aber mit einem wachstumsspendenden Schauer ist täglich zu rechnen. Erst im Dez. wird es zunehmend trocken. Als auf der Weiterfahrt dichter Nebel den Tag verdunkelt und Regen fällt, ist mir das willkommener Anlass umzudrehen, und die Heimfahrt anzutreten. Den Poas kenne ich bereits von einem früheren Aufenthalt.
15.11.05
Atenas- Puntarenas- Montezuma
Strecke: 94km. Höhenmeter:1400
Noch einmal geht es früh am Morgen hoch auf den Pass zum Orangenverkäufer. Es ist unter der Woche, hat aber dennoch viel Verkehr. Auf der engen kurvigen Strasse geht kein Wind, und jedes Fahrzeug hinterlässt eine Rußwolke, anhand derer ich die Kilometerleistung des Motors erahne. Bus und Lkw Fahrer haben es sehr eilig, und man könnte nicht sagen das sie Fahrradfahrer unbedingt als Verkehrsteilnehmer betrachten. Sie fahren so knapp vorbei das mir manchmal der Atem stockt.
Jesus an Bord
Ob das wirklich eine gute Idee war mit dem Bike hierher zukommen. Bei jedem Lkw der sich von hinten nähert, werde ich extrem nervös, einmal geht’s sogar in den Straßengraben. Da muss man sich erst einmal daran gewöhnen. Naiv gläubig packen sich die Ticos ihr Jesusbildchen ins Cockpit, um dann mit Vollgas und den Heiligen an Bord ins Paradies zu rasen. Im Alltag verhalten sich die Ticos dagegen auffällig friedfertig, vielleicht ist ja der Verkehr eines der Ventile wo sie ihre Aggressionen ausleben können.
Berge und Gastfreundschaft
Auf dem Pass atme ich tief durch, das beseitigt vielleicht den Dieselruß und wirkt beruhigend. Ich freue mich auf die Abfahrt, zum Einen ist die Strecke sehr schön, zum Anderen bin ich auf der kurvigen Strecke schneller als Busse und Lastwagen.
Das macht jetzt richtig Spass, vorbei an steilen Viehweiden mit den schönen Zebu oder Brahmarindern und dazu grüne Bergketten soweit das Auge reicht. Praktisch die Idee mit den lebenden Zaunpfählen um die Weiden. Sie verrotten nie, man muss sie lediglich ab und zu schneiden.
Schnell bin ich in San Mateo wo der Hauptverkehr nach links Richtung Jaco abbiegt, und ich nach Puntarenas. Zur Sicherheit frage ich eine Frau nach dem Weg. Sie zeigt mir die Richtung und versichert das die Strecke kaum befahren ist.
Ich fotografiere ein interessantes Haus mit sehr vielen Kübelpflanzen die ich dem Hausherr gegenüber lobend erwähne. Daraufhin bittet er mich herein auf eine Tasse Kaffee, und zeigt mir auch seinen Innenhof, der fast überquillt vor wuchernden Gewächsen. Orchideenzüchter zu Hause würden vor Neid erblassen.
Als wahre Herrin über diesen Dschungel stellt sich aber seine Frau heraus. Sie sitzt mit zwei gleich schwergewichtigen Cousinen in einer kühlen Ecke. Von dort streift sie mich nur mit einem kurzen abschätzenden Blick und beugt etwas ihren Kopf. In meiner hautengen Radhose, dem knallblauen Dress, und diesem unförmigen Helm gebe ich allerdings gerne zu, wenig radfahrende Nationen etwas zu befremden. Ich bitte ihn noch einige Fotos seiner hübschen kleinen Töchter machen zu dürfen. Die ältere dagegen ist so mit Nägelfärben beschäftigt das sie glatt vergisst ihre Umwelt wahrzunehmen. Wir plaudern noch etwas über seine schlecht gehenden Geschäfte und die Fußball WM in Deutschland, dann wünscht er und seine Freunde mir Glück und eine gute Reise. Von wegen es dauert Jahre bis man von einem Tico eingeladen wird. Das ich noch nach Montezuma will wollen sie aber nicht so recht glauben da es mit dem Auto schon weit wäre.
Biken oder Zuckerrohr schneiden.
Nach der Karte, die beste die ich bekommen konnte, müsste ich leicht absteigend Richtung Meer rollen. Leider gab es in Costa Rica keine Gletscherströme die das Gelände geebnet und Schluchten aufgefüllt hätten. Deshalb führt die Strasse permanent rauf und runter. Für etwas Abwechslung sorgt ein fahrender Händler der mich immer wieder überholt und dann die Siedlungen abklappert, zusammen mit seinen scheppernden Alutöpfen. Er hat immer gleich viele in der Hand, vermutlich hat sich der Zusammenhang von Aluminiumgeschirr und Alzheimererkrankungen auch hier herumgesprochen.
An einem steilen Anstieg ruft mir eine Frau die auf den Bus wartet unvermittelt zu: Cuida te. Pass auf dich auf. Angesichts so viel Anteilnahme und des staubtrockenen Mundes bringe ich kein Wort heraus. Es hat locker 35 Grad und ich halte voller Sehnsucht Ausschau nach den gewohnten Wolkenmassen.
An einem kleinen Haus, mitten zwischen ausgedehnten Zuckerrohrplantagen bekomme ich etwas zu trinken und ein paar Kekse. Mit den üblichen Gummistiefeln kommt ein Feldarbeiter vorbeigestapft. Er lächelt mich neugierig an und fordert mich schließlich auf mit ihm Zuckerrohr zu schneiden. Ich lehne dankend ab mit den Worten: Das ist zehnmal härter als Radfahren, worauf er lacht und winkend mit seinen schweren Stiefeln Richtung Feld marschiert. Alle Feldarbeiter tragen in Costa Rica diese hohen Stiefel wegen der Fer de Lance, der Lanzenotter. Sie ist sehr giftig und angriffslustig, und liegt oft im hohen Gras oder unter den Plantagenkulturen herum.
Fahrkünste
Kurz vor Puntarenas in Escarzu überholt mich ein Auflieger Lkw. Er schert viel zu früh wieder ein, als er mich fast berührt muss ich wieder in den Strassergraben.
Bei der Gelegenheit fällt mir die Geschichte einer Costa Ricanischen Führerscheinprüfung ein: Da kein Auto zur Verfügung stand, ging der Prüfer zu Fuß mit dem Fahranfänger auf die Strasse. Dieser musste dann Motorgeräusche nachahmend um den Häuserblock kurven. Zu Fuß versteht sich. Da er den Blinker gesetzt und auch beim Schalten nicht das geringste Problem hatte, zudem die Rechts vor Links Regel kannte, stand der Erteilung der Fahrerlaubnis nichts mehr im Wege. Noch heute kann der Führerschein anscheinend ohne Fahrstunden gemacht werden. Noch Fragen!
Puntarenas
Puntarenas früher pulsierender Hafen wirkt jetzt etwas vernachlässigt. Es gibt aber einige schöne Holzhäuser und Strassen mit pulsierendem Leben. Es ist Mittagzeit, in einer Düngemittelfabrik sitzen die Arbeiter auf der Verladerampe und spielen Domino in ihrer Pause. Man sieht ihren geschmeidigen, durchtrainierten Körpern auf den ersten Blick die schwere Arbeit mit den Kunstdüngersäcken an. Sie begrüßen mich freundlich lachend und wechseln einige Worte mit mir.
Die Fähre nach Paqueras auf der Peninsula de Nicoya fährt noch nicht, solange versuche ich im Schatten meinen Schweiß zu trocknen. Zwei gutgelaunte Jugendliche nehmen mich aufs Korn und ich halte so gut es geht dagegen. Auf dem Fahrrad ist man eben nahbar.
Sie klären mich erst mal darüber auf, das Montezuma, mein Reiseziel, eigentlich Montefumo heißt. Es wird dort nach ihrer Meinung viel geraucht und nicht nur Zigaretten. Dann fordern sie mich auf einer Straßenhändlerin eine Sonnenbrille abzukaufen. Ich entgegne das sie doch die Jungs mit den coolen Brillen wären.
Im Land der Sabaneros und Rinderweiden
Auf der Fähre nach Paqueras ist es glühend heiß, jeder sucht verzweifelt nach einem Schattenplatz.
Die Halbinsel Nicoya ist bekannt für seine Viehzucht, einsame lange Strände und staubige Pisten. Kurz, man hat hier seine Ruhe. Das fängt damit an das man meist alleine unterwegs ist. Gelegenheit den Campesinos bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Leguane und Affen zu beobachten oder einfach nur vor sich hinzuträumen.
Irgendwann überholen mich die wenigen Autos von meiner Fähre. Ein Kleinbus mit Surfern reißt die Seitentüre auf, und sie brüllen begeistert heraus: Fuerza Fuerza.
Mitten in den saftigen Viehweiden taucht unerwartet eine einsame Landebahn auf. Ein Stück Teerpiste umgeben von Stacheldraht. Leicht abschüssig, so das man den Eindruck hat sie führt direkt in die Wasser des Pazifiks.
Es ist dunkel, als ich endlich auf mit unzähligen Schlaglöchern übersäten Pisten, steil nach Montezuma hinunterrolle, froh über meine Federgabel. Der kleine Campingplatz auf den ich will ist leider in der Regenzeit geschlossen. Aber ich finde schnell eine Cabina direkt am Meer für 15 Dollar die Nacht.
16.11.05
Montezuma- Cabo Blanco
26km.
Schwüle Nächte
5 Uhr. Viel Lärm. Moskitos schwirren durch die schwüle Luft. Keine Ahnung wo die Sonne aufgeht. Bin völlig desorientiert. Licht fällt an der falschen Stelle durch eine Lücke im Himmel. Mit dem Meer vereint sich ein grauschwarzer Vorhang aus Dunst, Regen und Wolken. Wie unglaublich vielfältig Wasser Gestalt annehmen kann. In hundert Nuancen verbindet es den Himmel mit der Erde.
Auf der Veranda liegt selig schlafend ein Gast auf dem harten Boden. Sandspuren, Kerzen und eine umgestürzte leere Flasche Rum, erzählen die Geschichte dieser Nacht. Neugierige Elstern kommen in der Morgendämmerung zu den Häusern der Menschen. Mit viel Rabatz schnüffeln sie herum und beäugen den Schlafenden. Nebenbei haben sie immer ein Auge auf etwaige Leckereien.
Nationalpark mit Traumstrand
Ein Tag für den Hike zum Playa des Cabo Blanco im gleichnamigen Nationalpark. Jetzt in der Regenzeit sind die Weiden auf dem Weg so grün, das sie unwirklich scheinen.
Am Eingang gibt es eine ausführliche Einführung in die Flora und Fauna. Welche Schlangen welche Vögel, welche Säugetiere es gibt. In welchem hohlen Baum die Murcielagos die Fledermäuse wohnen.
Aber all diese Tiere flüchten natürlich vor den lärmenden durch den zähen Matsch stolpernden Menschen. Am Cabo Blanco, dem weißen Strand ist keine Menschenseele, bis drei Nationalpark Praktikanten aus Deutschland auftauchen, müllsammelnd, scheint eine deutsche Leidenschaft zu sein.
Das Meer ist unruhig und aufgewühlt, wie so oft am Pazifik. Die nahen Berge werden plötzlich immer entrückter, es braut sich was zusammen. Zuerst fallen einzelne schwere Tropfen, dann folgt ein feiner Nieselregen. Noch genügt es unter einem Baum Schutz zu suchen. Unvermittelt setzt er aber ein, der Tropenregen, ungeheure Wassermassen stürzen vom Himmel. Der Weg ohnehin schon matschig wird zum Bach. Aus den Schuhen quillt und spritzt der Schlamm nur mühsam geht es voran. Kein Tier lässt sich blicken, selbst die Brüllaffen sind verstummt. Trotz des Regens halte ich Ausschau, den immerhin gibt es Jaguare hier. Aber das Leben im Dschungel findet eben auf vielen Höhen Etagen statt, und wir bewegen uns nur auf der eher unattraktiven Schattenseite am Boden.
Am Eingang warten dann die netten Damen, und wollen ein Feedback über den Park. Ich schreibe: Sehr freundliches Personal aber nur ein einziger längerer Wanderweg.
Montezuma am Abend
Reggae läuft in Montezuma. Ich sitze bei Kerzenlicht auf einer Terrasse beim Essen, während über dem leise rauschenden Meer der Vollmond aufsteigt. Am Strand streiten sich in seinem zarten Licht zwei streunende Pferde. Ein Hund fühlt sich berufen kläffend dazwischen zugehen. Aber die Pferde wenden sich sofort erbost gegen ihn, und verfolgen den vorlauten Störenfried. Als ich gerade gehen will kündigt ein zart anschwellendes Tremolo einen weiteren tropisch warmen Regenguß an. Ein Leidensgefährte am Ausgang des Restaurants verwickelt mich in ein Gespräch, an dessen Ende der Erwerb von Drogen stehen sollte. Während der Regen zum Sturzbach anschwillt, kann ich ihm glaubhaft versichern das Biken in diesen Breitengraden genügend Endorphine ausschüttet. Jedes weitere Doping wäre schlicht Geldverschwendung.
Beim Heimweg in der Nacht, mischt sich der warme Atem der nassen Erde, mit dem zarten Geruch von Blüten. Dazu gesellt sich der würzig-salzige Duft des Meeres, das etwas nach Algen riecht.
17.11.05
6Uhr morgens. Bootstour nach Jaco und zurück.
Das Meer wirkt sehr ruhig unter seiner bedrohlich dunklen Oberfläche. Trotzdem kommt das Gepäck in Plastiktüten. Unser Boot jagt hüpfend von Welle zu Welle, bis uns in der Mitte des Golfs ein aufgeregter Fischer entgegenkommt. Um den Mateja zu fangen haben sie zwei lange Netze gespannt. Vorsichtig überqueren wir sie und heben dabei den Motor aus dem Wasser. Gelegenheit die spannende Stimmung über dem Meer zu fotografieren. In Richtung Süden gibt es ein großes Sonnentor am Himmel, hell leuchtet es zu uns herüber. Über Jaco hängt eine imposante Wolkendecke an der Cordillera Central fest. Auf die Nicoya Halbinsel fällt immer wieder ein Strahl Licht und lässt den einen oder anderen Hügel aufleuchten wie ein Theaterspotlicht.
Später herrscht absolute Ruhe im Golf, nicht einmal das Meer rauscht noch. Auf der Rückfahrt läuft der Motorraum immer wieder voll, der Kapitän schöpft ihn leer und ich fahre das Boot. Konzentriert achte ich auf die vielen Baumstämme die von den Wasserfluten der Hurrikans ins Meer gespült wurden.
Nationalpark Islas Tortugas
Gegen Mittag mache ich einen weiteren Bootsausflug zu den Islas Tortugas. Wir passieren ein 5 Sterne Hotel. Einsam und verschlafen will es nicht so recht an den Playa Grande passen. Etwas weiter leuchten schneeweiße einsame Strände wie Perlen aus dem dichten Dschungel heraus. Mitten im Meer dagegen ragen zuckerhutähnliche Felsblöcke aus dem Wasser. Der ideale Platz zum Schnorcheln denn Fische suchen Schutz und Nahrung an ihnen. Das pazifische Meereswasser ist nicht so klar wie in der Karibik, aber dafür ungeheuer artenreich. Juan ein Baske, holt mit einem Messer elegant geschwungene Muscheln vom Grund und füllt einen Eimer damit. Unser Capitano betätigt sich währenddessen als Koch. In einer Öltonne zündet er mit etwas Benzin Palmblätter an, legt einen riesigen Barsch auf Alufolie, umrahmt von Kartoffeln Zwiebeln Tomaten. Dann streut er gehörig Öl, Salz und Pfeffer darüber, klappt die Folie zu und feuert weiter mit seinen Wedeln.
Außer den Tages Ausflüglern sind auch einige Fischer von Puntarenas auf der Insel. Sie bereiten hier ihre Hakenleinen vor die sie später mit Ködern für die Haie bestücken. Es ist ihr Meer und doch wirkt der rostige Fischerkahn fast wie ein Fremdkörper. Liegt er doch vor einem der schönsten Strände des Pazifiks vor Anker. Einem Naturschutzgebiet in dem außer einigen Holzhütten nichts gebaut werden darf. Das Barbecue ist fertig, es schmeckt so schlicht und genial, wie die ganze Insel paradiesisch ist. Am Abend gehen die Ausflügler wieder an Bord und schenken der Insel ihre Ruhe zurück.
In Montezuma trinke ich mit dem Basken und seiner Familie noch ein Bier, während der Koch aus den Muscheln das landestypische Ceviche zaubert. Das ist rohes Fisch oder Muschelfleisch, Zwiebeln, Paprika, Salz, Öl, Limonen, Tomate und Petersilie zu einem kalten Salat angemischt.
18.11.05
Montezuma – Samara 85km. 2200Hm.
Costa Rica gana el Mundial
Für heute habe ich mir eine genussvolle MB Tour vorgenommen. Unter 100 km, und immer schön am Meer entlang, wo es flach ist. Okay jetzt morgens um 6 Uhr geht es erst mächtig steil empor auf der roten Erdpiste. Das Vorderrad kommt immer wieder hoch, weil die Packtaschen mit 15kg hinten hängen. Als ich endlich beschließe abzusteigen und zu schieben bin ich auch schon oben. Die nächste Stunde verbringe ich auf kleinen holprigen Pisten in schönster Einsamkeit. Mein laut Karte ohnehin winziger Pfad endet auf einer holprigen Weide. Bevor ich mich vollends verfahre, drehe ich um in Richtung Hauptstrasse. Fast der einzige Mensch der mir hier begegnet ist eine deutsche die sich hier niederlässt. Na ja ein gutes hat der Platz auf jeden Fall. Hier wird sie niemand finden, nicht Freund noch Feind, so sie nicht will. Viele viele Kühe sehe ich auf dem Weg nach Cobano und die Kuhreiher die sie immer begleiten. Ab und zu auch einige Kuhhirten bei ihrer Arbeit. Die Sabaneros trennen im Corral die Kälber von den Kühen um sie zu brennen.
Nicoya- Land der Flüsse
Viele Flüsse liegen zwischen mir und Samara. Beim ersten ziehe ich noch die Schuhe aus und freue mich über das klare Wasser. Die nächsten durchwate ich mit klatschnassen Radschuhen, aber dann kommt ein reißender Strom. Die Piste führt zwar mittendurch aber befahrbar ist sie erst in der Trockenzeit. Ängstlich und wacklig kämpfe ich mich mit geschultertem Bike auf die andere Seite, wo ich mich die lehmige Uferböschung hoch kämpfe. Jetzt weiß ich warum hier nicht mal Allradfahrzeuge fahren.
Einsame Strände
Endlich am Pazifik. Trotz aufziehender Wolken und leichtem Regen hat der endlose Strand am Playa Coyote etwas eigentümlich schönes. Weit draußen liegen Fischerboote wie gestrandete Meeresriesen auf dem Sand. Das Meer weicht weit zurück und verschwimmt mit dem Ufer und dem Himmel zu einem konturlosen Grau. Gerade als ich wieder aufbrechen will, geht ein Fischer dem bei Ebbe ablaufenden Meer hinterher. Endlos scheint er ins Wasser zu schreiten. Ein Gang wie er vor 1000 Jahren nicht anders hätte sein können.
Ein Stück weiter verteidigt ein Campesino sein Reisfeld hartnäckig gegen Vögel und Nagetiere. Hinter seinem Pferd trotten drei große Hunde drein. Der alte Mann wirkt so abgeklärt und ruhig, wie es wohl nur ein Landmann inmitten der Einsamkeit sein mag. In einer abgelegenen Kneipe gibt es Wasser und den üblichen Casado für mich. Heute Reis und Bohnen mit Rindfleisch. Ich bin der einzige Gast hier, und werde es heute wohl auch bleiben. Dennoch schmettert der Sohn des Hauses Salsarhytmen aus seiner Anlage in die beinah erdrückende Einsamkeit hinaus.
Es ist endlich einmal flach, und mit viel Speed rausche ich im stärker werdenden Regen auf Samara zu. An einem Fluss, der überraschend eine Hängebrücke für Fußgänger hat, die ich leider erst im Wasser stehend entdecke, treffe ich vier Mountain Biker aus Colorado. Fast ohne Gepäck fahren sie von Cabina zu Cabina. Aber sechs Wochen nur in Radhosen, und mein Zelt brauche ich noch dringend in den Nationalparks.
Schlamm klebt
Die vielen Hügel die ich erklimmen muss, bieten weite Ausblicke auf hübsch geschwungene Buchten. Hier findet man vereinzelt gepflegte Hotelanlagen die wie zivilisatorische Oasen aus dem Dschungel herausragen. Es regnet kräftig und der lehmige Boden löst sich auf in eine zähe schmierige Masse die sich aufdringlich ans Bike und den Fahrer anhaftet. Das Hinterrad dreht bergauf durch, und die vielen Anstiege kosten eh die letzte Kraft.
Noch nicht einmal die Abfahrt kann man genießen. Das Fahrrad buckelt wie ein toller Gaul die Bremsen schmieren und geben hässliche Geräusche von sich. Schaltung und Kette sind ein unansehnlicher Haufen roter Dreck. Die kleinen Gänge funktionieren nicht mehr, weil die Kette steif wie altes Leder ist.. Ich bin total fertig und weil die Klickpedale nicht mehr öffnen, falle ich auch noch um wie ein Sack. Wütend werfe ich das Bike an den Straßenrand und brülle in den triefenden Wald, schimpfe auf den Regen, auf die Berge auf alles hier.
Die Worte des Schweizers der das Mountainbikerennen, Ruta de los Conquistadores, mitten durch Costa Rica gewonnen hat, klingen mir im Ohr: "Warum tue ich mir das eigentlich an." Aber was soll's, außer den Brüllaffen hört eh keiner zu und irgendwann kommt ein Stück Asphalt, nach dem ich mich noch nie so gesehnt habe.Im nächsten Fluss, das zählen habe ich schon aufgehört, wasche ich das Bike und mich, esse etwas Honig und ein paar Handvoll Haferflocken, spüle das ganze mit lehmigem lauem Wasser hinunter und schmiere mit der ungenießbaren Margarine meine Kette ein.
El Mundo de Futbol
Zwei dreckbespritzte Jungs mit ihren Rädern gesellen sich zu mir und begleiten mich ein Stück. Wir unterhalten uns bestens, sie haben jede Menge W-Fragen auf Lager, und schon bald ist mein Glaube an das Gute wieder erwacht.
La Isleta ist ein buntes fröhliches Dorf, alle Gebäude sind schön von Kindern bemalt. Im feinen Nieselregen stehen nass und schlammverschmiert einige Männer. Barfuß nur in Shorts toben sie begeistert über den Campo de Futbol. Für Ticos eher unüblich haben sie extrem athletisch gebaute Körper. Mit vollem Einsatz kicken sie Zwei gegen Zwei auf ein Tor. Der Keeper holt sich beim Hechten einen tiefen Cut am Knie. Sein Blut verdrängt den rötlichen Schlamm. Als einer am Tor vorbeischießt rufe ich: So gewinnt Costa Rica die WM in Deutschland auf keinen Fall. Sie lachen und der nächste Schuss trifft beinhart ins Lattenkreuz.
Kurz vor Samara beginnt die heißersehnte Teerstrasse. Der Grund dafür sind ausladende feinkörnige Sandstrände mit vorgelagerten kleinen Inseln. Die Sonne wirft gerade ihre letzten und stimmungsvollsten Strahlen über den Pazifik, bevor sie langsam darin versinkt. Ich erreiche ausgelaugt und dreckig endlich in der Dämmerung Samara. Auf der Strasse wäscht ein Tico gerade sein Auto ich stelle mich erwartungsvoll daneben. Er grinst mich an nimmt seinen Schlauch und spritzt mich und das Bike gründlich ab. Ich bedanke mich herzlich und behaupte mit ernster Miene: Dafür gewinnt Costa Rica die Weltmeisterschaft.
19.11.05
Samara- Playa Brasilito
92km. 1400Hm.
Grauer Himmel Nieselregen 8 Uhr 28Grad
Endlich Speed
Ich fahre weiter trotz der schönen Strände. Bikerwetter. Freue mich auf eine geteerte Strasse ohne Schlamm und Flüsse und einen bedeckten Himmel. Nach 30km. habe ich schon wieder1000Hm gesammelt, es ist unglaublich. In der Provinzhauptstadt Nicoya ist heute am Samstag viel los. Der Markt ist voll und die umliegende Landbevölkerung kommt zum Shopping in die Stadt. Auch einige Betrunkene begießen das Wochenende ausgiebig. Ich kehre in einer kleinen Soda ein. Wie so oft bin ich der einzige Ausländer. Am Nebentisch sitzt ein älterer Ranchero mit seiner hübschen blutjungen Geliebten. Er redet eindringlich auf sie ein, wirkt ein wenig gebannt von ihrer Schönheit und Jugend. Sie wandert mit ihren Blicken gelangweilt durch den Raum, scheint verzweifelt nach etwas bewegendem zu suchen. Ich lächle ihr zu und sage in Gedanken: Mädchen lass dir wenigstens das Schulgeld oder ein Studium von ihm bezahlen.
Nach Nicoya wird endlich ein Traum wahr. Fast 40 km einfach nur geradeaus, keine Kurven keine Schlaglöcher. Endlich mal ein 30er Schnitt. Ein Heidenspaß, ich fahre wie auf Wolke sieben. Nicht einmal die sengende Sonne stört bei diesem Tempo. Außerdem bilden die vielen Bäume eine Art Baldachin über der Strasse. Die schöne Landschaft dazu, fast kein Verkehr, Sabaneros die ihre Kühe und Pferde über Brücken treiben. Radler was treibt ihr eigentlich alle auf Mallorca.
In der Nähe von Brasilito wird viel gebaut, Hotelanlagen für die Amis die gerade wie eine Invasion in ihren 4WD an mir vorbeirauschen. Der Flieger aus den USA ist gelandet, auf dem neuen Flugplatz in Liberia.
20.11.05
Playa Brasilito
Morgens gehe ich am Strand entlang, vorbei am Playa Conchal. Diese sehr schöne Bucht ist bekannt für ihren weißen Sand. Er stammt von einem Riff und den vielen Muscheln. Oft findet man hier aber auch kurze harte Wellen die einem die Füße wegziehen und kleine fluoreszierende Fische ans Ufer werfen. Entlang der Küstenlinie wachsen Bäume bis nahe ans Meer. Sie spenden Schatten und bieten ein ideales Ambiente für die Kunsthandwerker die täglich ihre Stände hier aufbauen. Keramik mit sehr schönen stilisierten indianischen Motiven bemalt. Bedruckte Strandtücher und Muschel und Samenketten. Das alles für die betuchten, hauptsächlich amerikanischen Gäste des exklusiven Hotels nebenan.
Der Harpunierer
Ganz am Ende der Bucht treffe ich einen Taucher bei seinen Vorbereitungen. Spontan und herzlich lädt er mich ein mit ihm mitzutauchen. Zweite Maske und zweite Harpune hat er alles dabei. Ich würde gerne mitkommen aber wohin mit meiner Fotoausrüstung, meinem Geld, dem Rucksack. Jetzt bin ich schon Minimalist was das Gepäck angeht, und habe immer noch zu viel dabei. Es ärgert mich regelrecht das Materielles mich an einem kleinen spontanen Abenteuer hindert. Zudem gibt es Berichte über Diebstähle an diesem Strand. Er ist sehr lebhaft und zugänglich, und erzählt das er aus einem nahegelegenen Dorf stammt, und das Wochenende gerne am Meer verbringt. Hier entspannt er sich von der Arbeit und versorgt die Familie mit Fisch. Ein Autoschlauch dient ihm als Boje und zum Ausruhen. Dann hat er noch ein Stück Draht um die Fische aufzuspießen, ein Netz und einen kleinen Hammer für die Großen. Seife damit die Maske nicht beschlägt und Fett um die Harpune zu schmieren. Er versteckt seinen Proviant und die zweite Harpune vertrauensvoll vor meinen Augen im Gebüsch und lässt sich dann gerne fotografieren. Ich wünsche ihm viel Erfolg und er mir eine schöne Zeit und Pura Vida in Costa Rica.
Quad Plage
Vorne am Playa Conchal ist richtig viel los. Eine Gruppe Amis fährt mit Quads am Strand entlang. Ich finde diese lärmigen aufdringlichen Fahrzeuge mindestens genau so lästig wie ein Schwarm Schmeißfliegen. Dann kommt ein 4Wdriver dazu der unbedingt seine Damen direkt am Strand aussteigen lassen will. Fast ungläubig realisiert er das er feststeckt. Jetzt müssen die Damen doch aussteigen, während er sich mit rauchenden Reifen schön eingräbt.
Einige Ticos schieben ihn an, aber er schleudert mit Vollgas Sand auf sie. Bei so viel Borniertheit reißt sogar einem Tico der Geduldsfaden, und er spricht deutliche Worte an den Fahrer.
Suenos del Pacifico
Der Abend ist die schönste Zeit in der weiten Bucht. Die Tagesausflügler sind schon weg als die Sonne sich auf die Wasser des Pazifiks legt. Pelikane streichen in herrlicher V- Formation knapp über das Meer. Sie sind aber schon lange satt, während der Pazifik immer noch seinen Atem in langen rollenden Wellen ans Ufer schickt. Weit draußen im Meer stehen drei Inseln die exakt die Form eines Segelschiffes haben. Dazwischen zwei Vogelinseln mit steilen Klippen, und links davon zwei die wie eine große und eine kleine Schildkröte aussehen.
Im letzten Licht des Tages setzt ein Vater seine kleine Tochter immer wieder behutsam auf einen Wellenkamm, der sie dann sanft ans Ufer trägt. Man hat den Eindruck er vermählt sie mit dem Meer, denn es wird sie den Rest ihres Lebens begleiten.
Jetzt am Abend gehen die Dorfbewohner baden und surfen. Mit den Kleidern waten sie ins Wasser und schaukeln gelassen von Wellental zu Wellental. In den Meermandel Bäumen die bis ans Ufer reichen, sitzen Verliebte aus den nicaraguanischen Siedlungen in der Nähe. Das Meer rauscht leise und gelegentlich kläfft ein Hund. Eine junge Frau reitet durch das Wasser am Strand entlang. Ich mache eine Langzeitbelichtung auf der später die schemenhaften Konturen von Badenden in den Pazifik streben. Sogar die Discothek in der man abends sein Imperial trinkt während die Sonne untergeht, steht mit ihrem Fundament im Pazifik. Das Meer lässt hier keinen los.
21.11.05
Playa Brasilito- Playa del Coco-Playa Hermoso
60km. 900Hm.
Blaue Morphos und roter Staub
In der Nacht hat es kräftig geregnet und riesige Pfützen bedecken die ohnehin schlammigen Strassen in Brasilito. Ein Fischer flickt früh morgens seine Netze und zeigt mir den Pfad der am Meer entlang in Richtung Playa del Coco führt. Mit viel Elan nehme ich die Piste unter die Beine, vor meiner Nase die Playa Flamingo. Ihr zur Rechten kleben die Luxushotels mit denen die Regierung und Investoren gerne die halbe Küste zubetonieren würden.
Jetzt in der Regenzeit hängen täglich dicke Wolkenmassen über der Bucht. Von den Bergen im Inneren streichen sie ruhelos in ständig neuen Formationen auf das Meer hinaus. Sie scheinen fast gierig zu sein, diese neue Weite kennen zulernen. Aber trotz dem ständigen Nachschub, keine einzige schafft es allzu weit hinaus im gleißenden Sonnenlicht.
Nur mit Mühe finde ich ohne jegliches Verkehrszeichen nach Bahia Portrero, und weiter über eine einsame Bergkette Richtung Playa de Coco. Die Sonne scheint und es ist sehr heiß am steilsten Stück des Weges. Der Schweiß fliest in Strömen, kein Lufthauch kühlt, blaue Morphofalter flattern vorbei, in der Ferne das Geräusch von Brüllaffen und dichter Dschungel rundherum. Die Piste ist knallrot aber wenigstens trocken. Mehr und mehr beschleicht mich das Gefühl, das ich demnächst kollabieren werde, wenn dieser Anstieg kein Ende nimmt.
Nach dem einsamen Dschungel, kommt unten im Tal eine kleine Siedlung mit Laden und Grundschule. Außerhalb steht eine kleine Hütte bei der ich den Sohn des Hauses beim Limonenpflücken treffe. Er erzählt mir von seiner Schule in Coco, und dem langweiligen Leben auf dem Land. Über den Häusern am Wegesrand liegt meist eine dicke rote Staubschicht, die jedes vorbeifahrende Fahrzeug aufs neue aufwirbelt. Manche Anwohner spritzen deshalb jeden Tag die Strasse nass.
Fischer mit Fang
In Playa de Coco fahre ich sofort weiter zu der Fischersiedlung im Süden der Stadt. Ich habe Glück, denn gerade ist ein Boot nach 14 Tagen auf dem Meer zurückgekehrt. Die Fischer und ihre Helfer tragen bis zu 1,5 m große Dolphins zum Kühlwagen am Sandstrand. Sie sind in blendender Laune und ein herrlich zufriedener Ausdruck liegt auf ihren Gesichtern. Also, ein guter Fang, der die Familienkasse vorübergehend füllt. Dann nehmen sie ihre Plastiktüten mit den leeren Flaschen und Bierdosen, und machen sich auf den Weg nach Hause.
Abends bei Sonnenuntergang fahre ich noch rüber nach Playa Hermoso über den Berg.
22.11.05
Playa de Coco- Liberia- Nationalpark Rincon de la Vieja
1400Hm. 65km.
Adobearchitektur
Auf dem Weg nach Liberia kommt in der Nähe des neuen Flugplatzes eine deutsche Bäckerei, in der man sehr gut frühstücken kann. Kurz vor Liberia bin ich hin und her gerissen, ob ich mir die Stadt anschauen soll. Den Ausschlag gibt, das ich mich sicherheitshalber besser schon hier mit Proviant für den NP versorge. Also schaue ich mir die Kolonialhäuser an, die es hier noch gibt. Enttäuschend, gerade einmal drei vier Häuser haben die Kolonialzeit überstanden. Aber sehr schön fand ich die Idee mit dem Sonnentor, Zwei Türen an derselben Ecke die je nach Sonnenstand geöffnet oder geschlossen werden. Aber was die Adobearchitektur betrifft, hat Nicaragua und erst recht Mexiko ganz anderes zu bieten. Eigentlich sehr schade den die mit Lehm errichteten Häuser sind in vieler Hinsicht genial. Die dicken Mauern halten im Sommer die Hitze draußen, sofern sie traditionell mit Tonziegeln gedeckt sind. In der Regenzeit nimmt der enorm speicherfähige Lehm die Feuchtigkeit auf, die er im Sommer wieder langsam und kühlend an die Umgebung abgibt. Das Haus schluckt Lärm und Gerüche, ist absolut recycelbar und aus billigen Rohstoffen. Allerdings aufwendig und zeitintensiv beim Bauen.
Ticos sind stolz auf ihr Land
Bis zum Vulkan Rincon de la Vieja, sind es jetzt noch 20km, aber auf einer steinigen Piste und immer bergauf. Auf halbem Weg kann ich die Wirtin einer einsamen Soda dazu bewegen mir einen meiner täglichen Casados zu kochen. Reis mit Bohnen und Hühnchen, Fisch oder Fleisch. Wer das nicht mag hat definitiv ein Problem. Der Name Casado kommt von casar –heiraten. Ein Vater mit seinen zwei Kindern kommt dazu, er will sich ein Lunchpaket abholen. Er will wissen was ich so treibe, und bald sind wir in ein intensives Gespräch über korrupte Politiker, und alle anderen Probleme dieser Welt verstrickt. Er ist der festen Überzeugung, das die verheerenden Strassen im Land nicht repariert werden, weil das Geld dafür schlicht von den Verantwortlichen unterschlagen wird. Beim Thema Sex fragt er mich unverblümt, ob man mir in San Jose Kindersex angeboten hätte. Ich verneine und er freut sich sichtlich darüber. Auch wenn er über sein Land schimpft, heißt das noch lange nicht das er nicht stolz darauf ist. Wie die meisten Costa Ricaner weiß er sehr wohl was für ein Juwel sie unter ihrem Hintern haben, sie wissen um die Vielfältigkeit seiner Naturräume und die Freundlichkeit seiner Einwohner. Und sie sind gerne bereit diese Freude mit uns Besuchern zu teilen. Nur die Küsten hält er als Bergbewohner für unsicher, wegen der Drogen und Krimineller. Er vermutet auch, das dieses Problem aus dem Mangel an Religiosität herrührt. Das Einzige was hier, bei den praktizierenden Katholiken passiert meint er, wäre das der Jaguar die Hühner seines Vaters raubt, oder sich Touristen im Nebel verlaufen.
Rincon de la Vieja
Endlich oben am Nationalpark eröffnet mir die Angestellte barsch das der Campingplatz seit neuestem geschlossen ist, wegen Überschwemmungsgefahr. Ich schlage vor auf dem Parkplatz zu übernachten, worauf sie grabeskühl entgegnet: Der Parkplatz gehört zum Nationalpark und dort ist campen verboten. Wenigstens darf ich mein Fahrrad unterstellen, und mache mich zu Fuß auf, um den Park mit seinen Wasserfällen zu erkunden. Zum Gipfel schaffe ich es heute nicht mehr, zudem er sich schon die ganzen letzten Tage in Wolken gehüllt hatte. Aber im Park treffe ich einen mexikanischen Fotografen, der Fotos von den beeindruckenden Urwaldriesen für ein Buch macht. Ich schaue ihm ein wenig bei seiner sehr professionellen Arbeit zu, und er erzählt mir das er schon mehr als eine Woche auf ein Kraterfoto wartet. Im nördlichen Teil des Parks gedeiht vor allem der laubabwerfende Trockenwald. Während der trockenen Sommermonate werfen die Bäume das Laub ab, und schmücken sich dafür teilweise mit prächtigen Blüten. Das hat den großen Vorteil das diese von Insekten schon von weitem wahrgenommen werden. Gewaltige Urwaldriesen stehen hier, mehrere Dutzend Meter hoch, unten ausladende Brettwurzeln um im flachen Humus Standfestigkeit zu geben. Dann geht der Wald in Buschwerk und schließlich in eine gelbe Grassteppe über. Kurz darauf durchquert man einen utopisch anmutenden Agavenwald, um schließlich an einem Fluss mit schönem Wasserfall anzukommen. Dem Pozo Azul. Das aus teils unterirdischen Quellen austretende Wasser ist auffällig blau gefärbt.
Kurz, bevor der Park schließt laufe ich noch zu den Fumarolen. Schon von weitem stinkt es nach schwefligen Gasen. Sie blubbern lustig aus Schlammlöchern, oder kriechen leise aber sehr heiß an die Erdoberfläche. Auf dem Rückweg kriecht etwas ganz anderes. Myriaden von den kleinen fiesen Mücken, deren Stiche erst am nächsten Tag schmerzen, dafür aber umso länger. Als es dämmert suche ich mir frecher weise in der Nähe des Parks eine freie Stelle, suche sie nach Schlangen ab und stelle mein Zelt auf.
23.11.05
Rincon de la Vieja- Hacienda Santa Rosa
79km 700Hm.
Der Gipfel des Rincon ist schon wieder dick verpackt in Wolken, also baue ich mein kleines Zelt ab und rolle die 20km. zur Hauptstrasse hinunter.
Die Panamericana ist auf diesem Abschnitt so verschlafen und ruhig wie man es sich als Biker wünscht. Das hängt sicher mit dem angespannten Verhältnis zwischen Costa Rica und Nicaragua zusammen. Bis zur Grenze sind nur ein paar Kilometer, dennoch findet kein nennenswerter Warenaustausch statt. Nur die Polizeiposten werden immer mehr, wobei sie eigentlich nur die Zeit totschlagen, und von mir nicht einmal Notiz nehmen.
Die Strasse selbst ist in einem sehr guten Zustand, es gibt sogar einen schmalen Seitenstreifen, den ich nutze, wenn einer der seltenen Riesentrucks überholt. Einige überfahrene Schlangen liegen am Rand, und ich vertreibe mir die Langeweile indem ich die Vulkanketten rechts von mir fotografiere. Radfahren hat etwas meditatives. Der ständige leichte Druck der Oberschenkel auf die Pedale, beschäftigt den Körper. Die Konzentration auf Verkehr und Strasse zum Teil den Geist. Was übrig bleibt beobachtet das Umfeld und genießt die Landschaft. Kurz, ein entspannender Vollzeit Job. Ein echtes Cowboyland ist das hier, einsame weite Ebenen mit Viehherden und ihren Hirten. Es gibt nur wenige große Fincas, vor einer steht eine Stierstatue.
Hacienda Santa Rosa
Dann bin ich angekommen bei der Hacienda Santa Rosa. Diesem Brennpunkt nationaler Identität. Hier wurde die Schlacht gegen Nicaragua und ihrem amerikanischen Anführer William Walker siegreich beendet. Dank des Heldenmutes eines betrunkenen Trompeters, der die feindlichen Stellungen in Brand setzte. Das war zu Zeiten als Costa Rica noch Militär oder besser eine Bürgerwehr besaß. Erst eine Woche zuvor haben die Ticos hier ein großes Fest gefeiert. Die Hacienda ist ein sehr altes und schönes Holz und Steingebäude. Der Platz auf einer kleinen Anhöhe ist gut gewählt und die Hufeisenform des Gebäudes schafft ein Gefühl der Geborgenheit. Gerade reist ein Schulklasse ab, die sich das bäuerliche Museum anschauten, und dabei vielleicht ein Stück nationales Bewußtsein gewonnen haben.
Playa Naranja
Bevor es dunkel ist muss ich hinunter zum Playa Naranja, der einsamen Bucht zu der es noch ca. 16km sind. Dann eine Schrecksekunde, ein Schild weist darauf hin das die Piste gesperrt und unbefahrbar ist. Nun gut, Schilder gelten für Autos und außerdem habe ich ein gefedertes Mountainbike. Helm auf und hinunter zum Pazifik. Ich werde wohl nie genug bekommen vom Meer, kaum das ich zwei Tage ohne sein muss, packt mich schon wieder die Sehnsucht.
Die Piste ist wirklich verheerend, die starken Regenfälle die Costa Rica die letzten Monate heimgesucht haben, hinterließen auch hier ihre Spur. Mein Vorderrad bleibt in einer Rinne hängen und ich schlage einen Salto über den Lenker. Der Rucksack auf meinem Rücken verhindert aber schlimmeres. Es ist unglaublich heiß heute, Guanacaste ist die wärmste Gegend in Costa Rica. Zwei Liter Wasser für zwei Tage ist verdammt wenig, schießt mir in den Kopf und vorsichtshalber fange ich schon mit Sparen an. Kurz vor dem Strand kommt ein Mangrovensumpf mit Krokodilen, lautlos gleite ich dahin, mit offenen Augen. Bis mir im Sumpf ein Dorn den Mantel zersticht. So geht’s die letzten Meter zu Fuß.
Zelten am Traumstrand
Im Wald stelle ich mein Zelt auf und entdecke erfreut das ich nicht alleine bin. Jason aus Südafrika ist Botaniker und Naturfreak wie ich. Wir verstehen uns auf Anhieb und durchstreifen gemeinsam die Sümpfe. Am Morgen des gleichen Tages hat er eine Schildkröte beim Eierlegen beobachtet. Allerdings keine der riesigen Lederschildkröten deren Spuren wir im Sand fanden.
Die Wellen am Playa Naranja sind fantastisch schön und auch bei Surfern sehr beliebt. Immer wieder schultern ganz hartgesottene ihr Surfbrett, Zelt und Proviant und laufen hier herunter.
Jason und ich machen ein Feuer, kochen etwas und genießen den vielleicht besten Sonnenuntergang unseres Lebens. Nachts muss ich zum Pinkeln, nur ungern verlasse ich das Zelt, den der Freund eines Freundes eines entfernten Bekannten wurde genau hier von einer Lanzenotter in den Zeh gebissen. Zum Glück erwischte sie auch oder hauptsächlich den Gummischuh, und er überlebte den langen Transport zum nächsten Krankenhaus. Also, mit Lampe zum nächsten Baum dort pinkle ich im Dunkeln gegen den Stamm, als plötzlich etwas genau diesen hoch rast. Ich erschrecke furchtbar und springe reflexartig nach hinten. Im ersten Moment denke ich an ein Krokodil, aber im Schein der Taschenlampe erkenne ich einen großen Leguan der mich blöde anglotzt.
24.11.05 Playa Naranja
Morgens um 4 stehe ich auf um Schildkröten zu beobachten. Im fahlen Mondlicht laufe ich den kilometerlangen Strand entlang, entdecke aber nur die gleichen Spuren wie am Tag. Manche sehen frisch aus, aber an ihrem Ende findet sich wieder nur ein säuberlich zugescharrter Trichter, in dem die Eier bereits von der Sonne ausgebrütet werden. Trotz vieler Gelegenheiten ist es mir noch nie gelungen Schildkröten beim Legen zu erwischen. Enttäuscht gehe ich zurück und erwische einen Schlangenfresservogel beim Nestplündern. Ich verjage ihn und betrachte die Eier genau, bevor ich sie wieder eingrabe. Sie sind wachsgelb und haben eine ledrige ungewohnt weiche Schale. Die vom Vogel aufgehackten Eier riechen außerdem sehr stark. Auch Kojotenspuren finden sich in der Umgebung. Vielleicht gelten im Tierreich die Eier auch als so Potenzfördernd wie bei Costa Ricanern. Es gibt sogar ein Plakat auf dem steht: Schildkröteneier sind nicht die Lösung. Mann soll doch besser Viagra verwenden.
Schildkröten
Junge Schildkröten haben sehr viele Feinde, oft überlebt nur eine einzige aus einem Gelege. Das Geschlecht wird übrigens von der Temperatur im Sand bestimmt.
Am Playa Naranja liegt viel Zivilisationsmüll, er stammt nicht von hier wird aber bei jeder Flut angeschwemmt. Zahnbürsten, Flaschen, Plastik und vor allem die Tüten sind ein Problem. Die Hauptnahrung der Schildkröten sind nämlich Quallen, und die ähneln nun einmal täuschend echt einer Plastiktüte die im Meer treibt.
Louis Lopez ist Nationalpark Ranger am Playa Naranja. Zehn Tage macht er hier unten Dienst dann hat er acht Tage frei. Er kümmert sich um die wenigen Besucher weist sie ein oder steht in Notfällen mit seinem Funkgerät bereit. Er ist ein sehr guter Führer und kennt alle Tiere in seinem Revier. Am meisten Respekt hat er vor dem Puma, den der läuft bei einem Zusammentreffen mit dem Menschen nicht sofort weg. Er bleibt ruhig stehen und schaut dir in die Augen. Beklemmend lange, erzählt mir Louis. Der Jaguar dagegen verschwindet sofort. Zur Zeit hält sich ein großer Tapir in der Nähe auf. Die Spuren des Paarhufers habe auch ich schon entdeckt. Sie führen kreuz und quer durch den Mangrovensumpf. Louis warnt uns vor allem vor den vielen Schlangen. Viele davon sind so giftig, das einem nur wenige Stunden Zeit bleibt, um ein Antiserum einzunehmen. Deshalb ist eine der Aufgaben von Louis das Gras in der Nähe kurz zu halten. " Ich bin sehr gerne hier unten", sagt er mir. Hier habe ich meine Ruhe und auf meiner täglichen Runde gibt es immer Tiere und Insekten zu beobachten. Es ist schon etwas besonderes einem wildlebenden Jaguar zu begegnen.
"Abends koche ich mir etwas zu Essen, und die Reste kriegt mein Freund der Leguan, er lebt direkt unter meiner Hütte". Louis hat viele Knochen und Tierschädel gesammelt: Das Gerippe eines kleinen Wales ist darunter, eine Raubkatze, ein Kojote, Schlangenhäute usw. Am Tag meiner Abreise bekommt er Besuch von zwei Freunden, die bei ihm Campen. Ich bitte ihn noch um etwas Wasser aus seinen Vorräten das er mir bereitwillig gibt. Tags zuvor habe ich in der Not schon aus einem der sauberen Flüsse getrunken, und das Wasser sehr gut vertragen.
25.11.05
Hacienda Santa Rosa- Rivas
100km.750 Hm.
Auf nach Nicaragua wo die Menschen rückwärts gehen und lauter Lügen erzählen.
(Frei nach Pippi Langstrumpf)
Wieder zurück auf der Panamericana geht es direkt nach Nicaragua. Es ist sehr einsam auf der Strasse, bis mir zwei Belgier auf dem Rad begegnen. Leider sind sie genau in der anderen Richtung unterwegs und schleppen Berge von Gepäck mit sich, die sie auf einem Rad- Anhänger mitziehen.
Auf den 60 km bis zur Grenze stehen mindestens vier Polizeikontrollen. Ein Ladeninhaber sagt, er fühle sich wie im Krieg. Fakt ist, die Animositäten zwischen den zwei Ländern machen sich in der Grenzregion bemerkbar. Costa Rica will sich vor illegalen Einwanderungen schützen, und Nicaragua kontert mit Desinfektionsduschen für Busse aus Costa Rica. Angeheizt wurde die Stimmung noch durch den Tod eines nicaraguanischen Diebes, der in Costa Rica von einem Wachhund zerfleischt wurde. Anscheinend unter den Augen der Polizei. Als dann noch der Präsident sich gegen eine Tötung des Hundes aussprach, um den Besitzer vor seelischem Schaden zu schützen, hat das die Situation nicht verbessert.
Man muss dabei erwähnen das Hunderttausende legal und illegal anwesende Nicaraguaner mit ihrer Arbeit die Wirtschaft Costa Ricas aufrecht erhalten.
Nicaragua
An der Grenze Penas Blancas wird man wie immer von Geldwechslern belagert. Wenn man aber wie ich, genau hier schon beim Wechseln betrogen wurde, wird man vorsichtig. Der Polizist hindert mich daran das Bike mit ins Passamt zu nehmen, aber er nimmt es dafür unter seine persönliche Obhut.
Ich schwanke, ob ich nach links, Richtung San Juan del Sur am Pazifik abbiegen soll. Aber es ist ein wunderschöner Tag, eine leichte Brise weht mir ins Gesicht, sie bringt den Rauch des Vulkans Concepcion mit sich, und den Geruch des riesigen Nicaraguasees. Eine Versuchung der ich nicht widerstehen kann. Die Panamericana führt hier genau am See entlang, auf einer Strecke die schöner nicht sein könnte. Riesige Viehweiden, mit jetzt nach der Regenzeit hellgrünem Gras, auf dem zufrieden Zebus weiden. Zur Rechten, mitten im See, liegt wie eine Oase die Insel Ometepe, überragt von den zwei Vulkanen der sie ihre Entstehung verdankt. Maderas und Concepcion. Ein paar wenige, aber umso schönere Ceiba Bäume haben das Roden überlebt, und stehen in einsamer Pracht entlang der Strasse. Ein paar Brüllaffen versuchen bei einer Brücke die Panamericana zu überqueren, um den Rest ihrer Gruppe wiederzufinden, das geht nicht ohne viel Geschrei und Gezeter. Unter der Brücke sonnen sich fünf Gelbhalsschildkröten auf einem Ast.
Gerade haben Biologen nachgewiesen, das Affen beim überschreiten einer Strasse regelrecht Wächter postieren. Sie haben die Aufgabe rangniedrigere Tiere zu schützen.
Vulkane mit schlechtem Omen
In einem schönen uralten Laden an der Strasse bekomme ich halbgefrorenes Wasser, Maulbeersaft und einige Kuchen. Die Besitzer sind sehr alt, und das ist auch das Interieur. Es könnte locker aus den 40er Jahren stammen. Beim Essen stehe ich gemeinsam mit dem alten Ehepaar vor dem Eingang und betrachte die graue Fahne des Vulkans Concepcion. Ehrfürchtig berichtet der Mann das beim Ausbruch im Sommer 2005, die heiße Asche und das Grollen bis zur Ortschaft Rivas rübergeweht wurde. Richtig furchteinflößend war für die Nicaraguaner, das der Rauch über dem Krater eines Tages die Form von vier Gesichtern annahm. Zwei weibliche und zwei männliche Gesichter. Sogar die Zeitung hat das Foto davon gedruckt, und er hat immer noch gehörigen Respekt vor diesem schlechten Omen.
Was ich allein schon an seinem ernst-besorgten Gesichtsausdruck erkennen kann.
In der Abenddämmerung geht die letzte Fähre von Rivas nach Ometepe. Der Himmel färbt sich schon rot während einige Kinder nackt an den Ufern des Sees ihre Kräfte messen. Der Wind bläst die Gischt der kurzen Wellen weit ans Ufer hinaus. Verspielt und scherzend beobachten einige Männer wie der Vulkan Concepcion zur Silhouette wird, vergessen dabei aber nicht den Schiffsankömmlingen ihre Dienste als Träger anzubieten.
Nach knapp einstündiger Fahrt im Dunkeln zeigen die Lichter von Moyogalpa den Weg. Zusammen mit zwei Amerikanern nehme ich ein Mehrbettzimmer in einem kleinen liebevoll eingerichteten Privathotel mit Innenhof. Wir schlendern noch ein wenig durch die Gassen und enden schließlich bei einem Basketball Match gegen Nicas.
26.11.05
1150Hm. 40km
Moyogalpa nach Bague- Finca Madalena
Ich bin sehr früh auf den Beinen und fahre die Piste in Richtung Osten, der Sonne entgegen. Einige Hirten zu Fuß oder auf Pferden, treiben ihr Milchvieh auf die Tagesweide. Auf den fruchtbaren Hängen stehen saftig grüne im Wind schaukelnde Hirsepflanzen. Dahinter erstreckt sich der weite Nicaragua See, und in der Ferne zieht sich eine lange Kette von Vulkanen hin. Die staubige extrem schlechte Piste windet sich um den Fuß des Vulkans herum. Immer wieder ziehen kleine Wege an den Hängen hoch, aber es ist verboten allzu hoch zusteigen, den schon nach wenigen hundert Höhenmetern treten giftige Gase aus. Die meisten Menschen sind hier zu Fuß oder mit Fahrrad und Pferd unterwegs. Manche begleiten mich ein Stück, oder tragen ein kleines privates Rennen mit mir aus. Aber wenn ich nicht gerade zum Fotografieren stehen bleibe, verschafft mir die gute Schaltung und meine Federgabel genügend Vorteile um vorbeizuziehen.
Tod und Leben
Ein alter Friedhof grün und verwachsen liegt unscheinbar am Wegesrand. Einige Blumen bezeugen das auch Lebende ihn noch nutzen. Keine Mauer und kein Zaun begrenzen ihn, als wolle er langsam aber stetig immer weiterwachsen. Durch eine Lücke zwischen Grabmalen und einzeln stehenden Bäumen, erscheint der mächtige, stets alles beherrschende, sein Haupt in Wolken gehüllte Vulkan Concepcion. Ein Bild das haften bleibt. Der Berg schenkt Leben durch seine fruchtbare Asche, die reich an Mineralien ist. Aber er droht auch, täglich aufs neue.
Altagracia
Altagracia ist genauso ruhig ja verschlafen wie die ganze Insel. Ich rolle hinunter an den Sandstrand um mich zu erfrischen und die Kuhscheiße von meinen dunkelbraunen Beinen zu waschen. Auf dem dunklen warmen Sand liegt flächig ausgebreitet die Wäsche einer grossen Familie zum Trocknen. Befremdet und scheu betrachtet mich die Wäscherin während ihrer Arbeit. Hinter mir kommt ein Mann auf dem Rad heruntergerollt. Ohne zu Zögern streift er alle seine Kleider vom Leib, und watet nackt in den See. Er badet nicht er wäscht sich, bevor er wieder in seine Kleider schlüpft um seine eiligen Geschäfte zu erledigen.
Gallo Pinto mit Rindfleisch ist mein Mittagessen heute, serviert von einer hübschen jungen Nica. Ich bitte sie ein Porträt machen zu dürfen, aber sie meint ich wolle doch nur das Foto einer armen Nicaraguanerin zu Hause herzeigen.
Fischer und Bauern
Am Isthmus, zwischen den zwei Vulkanen zieht ein Fischer mit seinem Sohn das Ruderboot ans Land. Seit dreißig Jahren fischt er hier, und wie aus der Pistole geschossen stelle ich die Frage die mir schon lange auf der Zunge brennt. Gibt es sie wirklich die Süßwasserhaie im Nicaraguasee? Ja natürlich meint er, aber sie schlafen am Tag und jagen in der Nacht. Außerdem verbringen sie eher die Jugend im See, bevor sie mit mehreren Metern Größe den Rio San Juan hinauf zum Atlantik wandern. Manchmal landen sie im Netz, aber heute sind seine 15 kg Fang vor allem Barsche. Sein Sohn hilft ihm beim Rudern, und den anderen Arbeiten. Bei Sturm ist es sehr gefährlich auf dem Wasser, die hohen harten Wellen die der eher niedrige See erzeugt, haben schon manches Boot zum kentern gebracht. Auf ungefähr 20 m schätzt er die Wassertiefe. Sie fischen auf dieser Seite des Isthmus, weil in Moyogalpa das Wasser viel unruhiger ist.
Gleich neben den Fischern liegen Dutzende gelber Säcke aufgestapelt. Darauf verteilt sind einige Männer und spielende Kinder. Scherzend und lachend vertreiben sie sich die Zeit.
Nur einer sitzt etwas abseits davon auf einem einzelnen Sack.
Da mein Hinterrad im weichen Sand durchrutscht geht es quälend langsam vorwärts. Erstaunt betrachten sie mich während ich freundlich mit Buenos Dias grüße. Neugierig darauf was wohl ihre kindliche Freude geweckt hat. Was ist den da in den Säcken, will ich wissen. Einer steht mir gegenüber und antwortet: Reis von den Feldern nebenan. Eine quälende kleine Pause entsteht bis mich mein Gegenüber fragt: Woher kommst du?. Von Moyogalpa und Bague, antworte ich, und erzähle das ich mit dem Fahrrad durch Costa Rica und Nicaragua radle. Das ich Deutscher bin und zuhause Gemüse anbaue. "Costa Ricaner sind alles Gauner", behauptet er. Ich erzähle das ich erst gestern einen Amerikaner getroffen habe, der in Managua am hellen Tag mit der Pistole ausgeraubt wurde. Außerdem habe ich heute morgen in Bague einen Österreicher getroffen, der in Costa Rica am Atlantik ausgeraubt wurde.
Und jetzt habe ich ein Problem, denn ich weiß nicht wer die größeren Gauner sind. Sie lachen alle herzlich, wohl wissend das in Ometepe die größte Gefahr vom Vulkan ausgeht. Jetzt ist das Eis gebrochen, und sie wollen wissen wie viel Kinder ich habe. Eins antworte ich. Nur eins ertönt ein Aufschrei. Ich habe vier und mein Freund da 14 ruft mein Gegenüber. Hast du keine Frau oder andere Probleme. Nein, nein antworte ich, nur im Augenblick vom vielen Radfahren. Wie viel kostet dieses Fahrrad, wollen sie wissen.? 1200 Dollar antworte ich! Hey dafür kannst du hier ein Motorrad kaufen und musst nicht mehr radeln, ruft der abseitssitzende, und erntet viel Gelächter.
Trockenreisanbau
Wir kommen wieder auf die Landwirtschaft zu sprechen, und sie erzählen das der Reis jetzt in die Mühle zum Schälen kommt. Danach kommt der Teil den sie selber verbrauchen zurück, der Rest wird verkauft.
Die letzten Tage haben sie ihn auf freien Flächen getrocknet und mit Hilfe des Windes von Unrat gereinigt. Außerdem verkaufen sie die Kochbananen die nebenan liegen, und gleichfalls auf den Lkw warten. Einmal täglich kommt er und sammelt sie ein, um sie mit dem Schiff auf das Festland zu bringen. Dann werden sie bis nach Guatemala und Honduras exportiert. Sie gelten als die besten der Welt.
Als ich bemerke das man mit der Landwirtschaft viel Arbeit und wenig Geld erntet, stimmen sie mir sofort zu. Aber bevor wir in Selbstmitleid zerfließen, zeigt mein Gesprächspartner auf seinen Kollegen und sagt: Schau dir den da an, der ist schon ganz schwarz vom vielen Arbeiten in der Sonne. Und der hier heult jede Nacht wie ein Kojote. Wie ein Kojote frage ich verwundert.! Ja wie ein Kojote.! Gibt es bei dir in Deutschland keine davon. Da ich offensichtlich auf der Leitung stehe deutet er einen typischen Griff zur Flasche an. Aber sicher gibt es Kojoten bei uns, jede Menge antworte ich, nachdem der Groschen gefallen ist. Das gefällt ihnen und sie lachen herzlich.
Es sind noch ein paar Kilometer zur Finca Madalena. Sie liegt sehr schön an einem Südhang mit freiem Blick zum See. Es ist eine Kooperative mit biologischem Anbau von Kaffee, Kakao, Kochbananen und etwas Permakultur. Auf dem Weg dahin fällt mir ein das ich nicht gefragt habe, was der Grund für die ausgelassene Stimmung war, wenn es denn einen gibt. Aber die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. So zufriedene Gesichter kann nur eine gute Ernte erzeugen, sichert sie doch das Überleben für einige Zeit. Gerade in einem armen Land wie Nicaragua.
27.11.05
Finca Madalena- Volcan Maderas
Nebelwald und Schlamm
Nick und ich quälen uns im zähen Matsch durch den feuchten Bergwald. Je höher wir aufsteigen, desto dichter, bemooster und märchenhafter wird die Vegetation. Die fehlende Sicht lenkt unsere Aufmerksamkeit noch mehr auf die knorrigen teils vollkommen mit Flechten überwachsenen Bäume. Oben teilt sich der Weg und wir entscheiden uns für den Rechten. Der Pfad führt über Schlammlöcher und meterhohe Bäume, klettern ist mehr gefragt als gehen. Plötzlich rutscht Nick aus und rammt sich einen Ast durch sein Ohr. Ich wische das Blut ab und beruhige ihn, nichts wichtiges verletzt nur der Knorpel.
Der Vorhang aus Nebel und Wolken über uns mag heute nicht aufreisen und so gibt es keine grandiose Aussicht vom Gipfelkamm. Aber mir wird klar das dieser Weg auf die andere Seite des Berges nach Norden führt. Also drehen wir um, den wir wollen zur blauen Lagune, einem Kratersee nordwestlich. Führer sind eigentlich auf dieser Tour vorgeschrieben, seit im Vorjahr ein kanadisches Paar abgestürzt und verschollen war. Sie wurden leider zu spät gefunden, oder das was von ihnen übrig war. Ich hatte schon einen Tag zuvor mit Nick die Tour verabredet. Er lebt in Costa Rica als Englischlehrer und reist alle 3 Monate kurz aus um sein Visa zu erneuern. Sehr früh am Morgen sind wir aufgebrochen. Nick wollte eigentlich einen Führer nehmen, aber als ich alleine loszog hat er sich angeschlossen. Den Führern gegenüber war ich etwas eingeschnappt, weil sie tags zuvor mit riesigen Bierflaschen abhängten. Außerdem finde ich, ist das Suchen eines Weges das eigentlich kreative beim Reisen.
In den tieferen Lagen des Bergwaldes finden sich einige Petroglyphen der indianischen Urbevölkerung. Auch eine schöne Jaguar und Schildkrötenskulptur ist darunter. Jetzt sind wir auf dem richtigen Weg, denn es geht steil und rutschig bergab zum Kratersee. Die Führer verwenden hier normal ein Seil.
Leider hängt der Nebel immer noch zäh über uns. Viel zu kühl zum Baden. Wir treffen einige nicaraguanische Führer die von der anderen Seite aufgestiegen sind. In Gummistiefeln, und mit Bier und Colaflaschen entsprechen auch sie nicht dem üblichen Bild von Bergführern.
Der Abstieg ist mühsam, rutscht einem doch bei fast jedem Schritt der Fuß weg. Seit langem schon haben wir die lehmige Farbe des Pfades angenommen. Trotz offenen Augen entdecken wir außer den Brüllaffen keine Tiere. Mit zwei Ausnahmen: Einer Feuerameise die mich verätzt und einer Zecke an meinem Bein.
Beeindruckend sind die Wechsel der Vegetationszonen, alle paar hundert Meter. Oben die feuchte Nebelwaldzone die nach unten zunehmend trocken und warm wird. Landwirtschaftlich genutzt werden nur die ersten 500m des 1600m hohen Vulkans Maderas. Beim Aufstieg begegnen wir einigen der Führer, sie sind viel später gestartet, und natürlich fragen sie uns erzürnt nach unserem Führer. Leider spreche ich heute kein Wort spanisch.
Nach 9 Stunden ohne Essen haben Nick und ich Bärenhunger. Vorab gibt es einen halben Liter Fruchtsaft. Er ist sehr sättigend da er mit gekochtem Maisbrei vermischt ist. Die Finca Madalena bietet Essen für 2-3 Dollar, und die günstigste Unterkunft in der Hängematte für 1,50$ an. Die Ausstattung ist natürlich spartanisch und als ich mich nachts in meinem Bett gedreht habe, lag ich plötzlich auf dem Boden und die Matratze auf mir. Bei der Finca handelt es sich um eine Kooperative. Sie ist in den Zeiten der sandinistischen Revolution entstanden. Einige der Mitglieder haben diese Zeit aktiv mitgestaltet und erlebt. Heute leben sie von biologischem Anbau, und zunehmend natürlich vom Tourismus.
28.11.05
Finca Madalena- Tesoro del Pirata 1000Hm. 40km.
Montezumas Rache
Ich bezahle meine Rechnung, 13Dollar für zwei Tage und lasse mich genüsslich den Berg nach Bagüe hinunterrollen. Dann geht es südlich, den Vulkan Maderas umkreisend weiter. Die Bauern melken frühmorgens ihre Kühe, bevor sie auf die Weiden getrieben werden. Andere schneiden Kochbananen und legen sie an die Strasse. Kinder kommen mit Eimern voller Barsche vom Angeln zurück. Vier Stunden treffe ich auf kein einziges Auto, niemand stört den ruhigen Fluss des Landlebens in dieser einsamen Ecke. Ein leichter Nieselregen erfrischt und kühlt. Leider braucht man in dieser Gegend auch keine Kneipen und Läden. Ich bräuchte etwas Flüssigkeit, den Montezumas Rache hat mich doch noch erwischt. Die Kolikartige Peristaltik meiner Gedärme lässt nichts gutes erahnen. Aber dafür ist es eine große Freude immer neue Variationen vom einfachen Leben auf Ometepe hautnah zu erleben. Besonders der ruhige See mit seinem weiten Horizont scheint alle Eile in sich aufzusaugen. Weit draußen ziehen einsam Ruderboote vorüber, und an den Ufern grasen friedlich Pferde und Kühe. In der Nähe des Isthmus kommen die schönsten Strände der Insel. Weil es hier relativ eben ist wird auch viel Reis und anderes Getreide angebaut. Fast alles in Handarbeit und meist auch ökologisch. Die Erzeugnisse der Insel sind echte Naturprodukte die hervorragend schmecken. Gegen Nachmittag wird es doch noch brütend heiß. Bei einem langen Anstieg merke ich die gestrige Tour, mein Kopf glüht und die Beine brennen. Ich fahre auf der falschen Seite, weil es dort Schatten gibt. Dann verschlägt es mir beinahe den Atem, so schön ist die Landschaft. Ich fotografiere begeistert, und begegne dabei zwei deutschen Bikern mit Liegerädern.
Ometepe-Ort zum Leben und zum Sterben
Bei der Abfahrt zieht mich ein Uferabschnitt magisch an. Tesoro del Pirata. Der beste und sicher auch schönste Platz die Nacht zu verbringen. Das wissen auch die englischen Entwicklungshelfer hier. Sie erzählen mir von den vielen Projekten ihrer christlichen Missionsgemeinde. Vor allem Schulen und Krankenhäuser erbauen sie gemeinsam mit Nicaraguanern. Manche opfern jeden Urlaub für ihr soziales Engagement, waren schon 12 Mal hier und kennen jede Ecke des Landes. Sie bestätigen meinen Eindruck, das Ometepe verglichen mit dem raueren Rest des Landes, tatsächlich eine Oase des Friedens ist. Zum Abendessen essen wir alle zusammen "Guapote" den häufigsten Speisefisch im See.
In einer sumpfigen Lagune am See die mit einer kleinen Holzbrücke gehbar gemacht wurde, treffe ich einen alten Mann der seine Kürbisse gießt und hackt. Er erzählt aus den Revolutionszeiten, wo die Menschen so Hunger litten, das sie Wildtiere wie Leguane und Krokodile erlegten. Ich frage ihn ob er die Insel schon einmal verlassen hat, worauf er antwortet: Ich bin hier geboren und ich möchte hier sterben.
29.11.05
100km 1100Hm
Moyogalpa- Masaya
Ich muss früh raus um die erste Fähre nach Rivas zu erwischen. Genieße zum Abschied noch einmal den Wahnsinns Ausblick vom Ufer auf den Vulkan Concepcion. Dann geht’s in Windeseile nach Moyogalpa zur Fähre. Auf die Minute genau komme ich an, aber die Fähre ist trotzdem weg. Zeit für einen Kaffee und Frühstück bis die nächste fährt. Außerdem versuche ich Traveller Cheques zu wechseln, was mir aber nicht gelingt. In Rivas geht es auf der Panamericana weiter nach Masaya, vorbei an dem Vulkan Mombacho mit seinem halben Kraterkessel. Die Erde hier ist schon jetzt, kurz nach der Regenzeit ziemlich ausgetrocknet. Entsprechend heiß wird es auch im Laufe des Tages. Selbst in der heißesten Ecke Costa Ricas, auf der Peninsula de Nicoya ist es kühler wie hier. Aber die Strasse ist echt super und nicht nur diese eine ist so gut ausgebaut. Am Straßenrand wird Obst und Gemüse verkauft, und ich ernähre mich den ganzen Tag von zuckersüßen Bananen und Fruchsäften.
Bis zum Nachmittag habe ich gute Beine, aber dann bin ich plötzlich wie ausgebrannt. An einem endlos langen Anstieg werden die Beine langsam zu Blei, schwankend und trudelnd quäle ich mich nach oben, um dort zu erfahren das ich falsch abgebogen bin. Ich nehme es mit Humor und lasse mich den Kilometer langen Anstieg wieder hinunterrollen.
Vor Masaya wird es noch bergiger, aber das nahe Ziel lockt die letzten Reserven heraus.
Die Strasse hier ist voller Schlaglöcher und kleine Kinder stehen am Rand und schaufeln Erde hinein. Höchstens vier bis fünf Jahre sind sie. Die Fahrer der Trucks schmeißen dafür Münzen aus dem Fenster. Den Staub der aufgewirbelten Erde schlucke aber ich.
30.11.05
Masaya
Paradies Isletas
Habe die Nacht bei Freunden in Masaya verbracht. Ein Entwicklungshelfer und seine Familie die seit vielen Jahren dort leben. Wie fast immer in Masaya haben in der Nacht Jugendliche Böller abgefeuert. Dieser Brauch stammt von den Spaniern und hat sich leider bis heute gehalten. Ich setze mich zum ersten Mal in einen Bus und fahre nach Granada. Die Altstadt mit ihren Kolonialhäusern ist immer einen Besuch wert. Dann besuche ich den Hafen in Asese und miete ein Bootstaxi zu den Isletas. Die Isletas sind 350 kleine und größere Inseln. Es gibt einige Schulen und vier Friedhöfe auf den größeren der Inseln. Auf den teils sehr engen Wasserwegen geht die Fahrt wie in einem Labyrinth mitten hindurch. Manche der Inseln sind von Reichen aufgekauft und mit prunkvollen Häusern bebaut. Sie werden von Angestellten bewacht und gepflegt. Andere sind von Mittelosen in einfachsten Hütten besiedelt. Kinder und Erwachsene trifft man tagsüber in den Bäumen sitzend beim Angeln. Der fischreiche Cocibolca (Nicaraguasee) ernährt sie alle, wie eine übergroße Amme. Den Reichen schenkt er ein kleines Paradies, und den Armen einen friedlichen Ort ihre Kinder unbeschwert heranwachsen zu lassen. Als eine der größeren Inseln dieses Jahr an Investoren verkauft wurde, mussten Hunderte der ehemaligen Einwohner umgesiedelt werden. Die Regierung stellte unbürokratisch Land in der Nähe von Granada zur Verfügung. Die Gebäude wurden von der englischen Missionsgruppe, die ich getroffen hatte, errichtet.
In dem Gewirr von Wasserstrassen und kleinen Inseln verliert man leicht den Überblick, da hilft nur die Fahrt auf den offenen See hinaus. Auf einer vorgelagerten Insel steht ein Kastell. Es diente mit seinen Kanonen dazu die relativ ungeschützte Stadt Granada vor Überfällen von Piraten zu schützen. Nachdem einer der spanischen Konquistadoren den Weg auf dem Rio San Juan bis zum Atlantik gefunden hatte, wurde sie vom Meer aus angreifbar. Unter anderem Sir Francis Drake wurde hier in die Flucht geschlagen und verletzt.
Die Amerikaner und andere Investoren hatten schon lange vor dem Bau des Panamakanals, die Absicht den Rio San Juan schiffbar zu machen. Damit wäre die alte Route, auf der schon die Goldgräber und der Schriftsteller Mark Twain vom Atlantik zum Pazifik überschifften, der erste große Transamerika Kanal gewesen.
3.12.05
85km. 1500Hm.
Penas Blancas- San Jose de Upala
Betrügereien
Mit dem Jeep fahren wir zur Grenze nach Penas Blancas zurück. Mein Freund muss dort seine Arbeiter bezahlen. Die Hacienda auf der sie arbeiten liegt genau an der Grenze. Als sie vor nicht allzu langer Zeit versuchten einen Zaun um das Gelände zu ziehen wurde dieser mehrmals durchschnitten. Vermutlich von Menschen die nachts illegal nach Costa Rica einreisten. Aber ein toter Drogenkurier an eben dieser Stelle lässt auch andere Schlüsse zu.
Zwischen den zwei Passkontrollen kaufe ich bei einer Nicaraguanerin einige Bananen als Proviant. Aufgeregt erzählt sie mir das heute morgen zwei offizielle Geldwechsler verhaftet wurden. Sie hatten eine unbedarfte Touristin beim Umtausch um eine große Summe betrogen. Als sie den Betrug bemerkte ging sie zur Polizei, die konnte die Betrüger schnell ausfindig machen. Es freute mich das zu hören, den die ständigen Betrügereien an dieser Grenze hinterlassen einen sehr schlechten Eindruck, von einem schönen Land, mit eigentlich sehr symphatischen Bewohnern.
Vulkanische Fallwinde
Kaum über der Grenze ändert sich das Klima. Es wird wieder feuchter und grüner. Halb im Schatten geht es auf eine kleine Hügelkette hoch. Meine Augen vermissen ihn nicht den vielen Staub auf Nicaraguas trockenen Strassen. Ich frage mich warum das Klima und die Vegetation sich hier plötzlich ändern. Es muss an der Cordillera de Guanacaste liegen. Sie lässt bei Westwindlage die Luftmassen aufsteigen und abkühlen, wobei natürlich viel Feuchtigkeit entsteht. Nach wenigen Kilometern geht es links ab in Richtung Upala und Arenalsee. Von dem nahen Vulkan Orosi bläst mir ein starker und trockener Fallwind ins Gesicht. Bei uns nennt man das Föhn. Ich muss gewaltig in die Pedale treten, aber dafür ist die Aussicht eine kleine Entschädigung. Nach einer Stunde habe ich den Vulkan passiert, und der Wind hört schlagartig auf. Ich fahre durch endlose Citrusplantagen, menschenleer, kein Verkehr, nur ein paar Vögel machen mit ihrem Gesang die Einsamkeit erträglich. Der Fruchtsaftkonzern Rio del Oro betreibt die Plantagen, auch eine biologische findet sich darunter. Später wechseln die Citrus zu genauso ausgedehnten Ananasplantagen über. In Santa Cruz endet die Teerstrasse unvermittelt in eine steinige Piste. Sie führt mitten durch einen Dschungel.
Nachtfahrt
Da es schon dämmert suche ich hier nach einem Zeltplatz. Vergeblich. Zum Glück endet die Piste wieder in einer Teerstrasse. Fast im Dunkeln fahre ich ein Tal hinunter, eine Invasion von Mücken fliegt mir ins Gesicht. Sie lieben einfach die feuchten windstillen Niederungen. Wäre ich ein Vogel ich bräuchte nur den Mund zu öffnen und wäre satt. Einige Polizisten schauen mir verblüfft hinterher. Die Grenze zu Nicaragua ist sehr nahe und sie müssen inmitten dieser Mückenbrut ausharren. Die Strasse ist kurvig und im schwachen Licht meiner Stirnlampe versuche ich den Kurs zu halten. Winzig kleine Dörfer liegen auf dem Weg. Das Gelächter von Kindern schallt mir entgegen. Sie verbringen den langen Abend im Dunkeln auf der Strasse sitzend. In Costa Rica wird es wegen der Nähe zum Äquator Punkt sechs dunkel. Vermutlich erzählen sie die Art von Geschichten, die nur in diesem ganz besonderen Ambiente gedeihen können. Dann erkenne ich gerade noch einen alten Mann auf der Strasse. Er ist allerbester Laune und zeigt mir gerne den Weg zur nächsten Siedlung. Unterdessen sind einige neugierige Kinder zusammengelaufen und rufen mir begeistert Gringo, Gringo hinterher. Etwas weiter klingen hohe helle Stimmen mit viel Timbre an mein Ohr. Direkt neben der Strasse wird ein Gottesdienst gefeiert. Unter freiem Himmel. Ich höre den schönen Stimmen etwas zu und rolle dann hinunter nach Upala, wo ich problemlos eine Cabina finde.
4.12.05
108km 1400Hm.
Upala-Fortuna
Der ruhige Fluss des Lebens
Ich bezahle 8$ für Übernachtung und Frühstück und kaufe dann in einem kleinen Supermarkt ein. Es ist schwül und heiß heute. Dicke Wolkenpakete hängen am Himmel. In den feuchten Wiesen suchen Reiher und Störche nach Nahrung. Die Bevölkerung geht in ihrer Sonntagstracht zur Kirche. In den einsamen Häusern am Straßenrand sieht man den Hausherr
beim Autowaschen, und andere striegeln ihr Pferd. Manche liegen relaxt in der Hängematte, nur einige wenige arbeiten. Immer wieder öffnet der Himmel seine Schleusen. Das erfrischt bei den hohen Temperaturen. Kinder spielen selbstvergessen die immer gleichen Spiele. Fischen, Bäume besteigen, und große Pläne schmieden. Von wilden Fahrten auf rauen Wassern, hin zu Ländern wo es Gold zu finden gibt, und große Abenteuer auf sie warten. In einem Betonrohr vor einem Haus liegt nackt ein Mann. Was fehlt ist nur ein Schild: Störet meine Kreise nicht. Sollte hier vielleicht ein wenig frisches Blut fehlen.
Mir ist schlecht von dem öligen Frühstück. Es gab Reis mit Bohnen in viel Öl, und ein Stück Käse den ich wegen meiner Milchallergie nicht vertrage. Jetzt spielt mein Kreislauf verrückt und ich bin depressiv verstimmt. Ich habe keinen Druck in den Beinen ganz im Gegensatz zu gestern. Die Ticos hier sind zurückhaltend und reserviert. Ganz anders wie im Rest des Landes. Vielleicht liegt das aber auch an mir.
Die Landschaft wird immer hügeliger unterbrochen von vielen kleinen Flüssen. Ihr Wasser ist blau und glasklar. Dazwischen dehnen sich braune Ananasplantagen aus. Jugendliche machen ein Picknick am Fluss. Verträumt und wie in Zeitlupe radelt ein Mädchen durch eine Allee mit hohen Bäumen nach Hause. Sie langweilt sich schon, bevor sie dort ankommt.
Die Berge werden immer höher, und verschwinden zunehmend hinter dichten Wolken. Der Regen lockt die Moskitos hervor, bei einem kurzen Pinkelstop fallen sie regelrecht über mich her. Durch Löcher im Himmel bricht die Sonne hindurch, und taucht Tiere und Landschaft in ein bezauberndes Licht. Bei einem steilen Anstieg überholt mich ein radelnder Metzger aus San Rafael. Er übt seine Englischkenntnisse an mir, und erzählt mit überschäumender Lebenslust von seinen Geschäften. Dann zieht er genauso unwiderstehlich davon. Am Ende einer langen Gefällstrecke treffe ich ihn bei einer Aussichtskneipe noch einmal.
In Fortuna miete ich mich bei dem coolen aber symphatischen Amerikaner Don Pepe, ein und lerne einige seiner Landsleute im gemeinsamen Schlafsaal kennen. Sie nehmen mich mit in die heißen Thermalquellen. Das ist so ziemlich das Beste was man tun kann für die übersäuerten Beine. Mit einem Cocktail in der Hand im heißen Wasser liegend, dem aktiven Vulkan Arenal beim Rauchen zuschauen, und sich dabei mit den lockeren Amis über das Gute und Schöne im Leben zu unterhalten, was kann man sich mehr wünschen.
5.12.05
Fortuna- Tronadora
Der Arenalsee
100km 2300Hm.
Fortuna liegt östlich des grummelnden Vulkans Arenal. Leider verbirgt der sich regelmäßig hinter dichten Wolken. Ich will heute den Arenalsee umrunden. Laut Karte sind das runde 100km, und die Strassen schauen ganz ordentlich aus. Vorbei an einigen exklusiven Hotelanlagen führt die Strasse nordöstlich um den Berg herum. Den See erreicht man genau an seiner Staumauer der er seine Größe verdankt. Viele Kilometer führt die Strasse durch einsames hügeliges Dschungel und Weidengebiet. Wunderschöne grüne Buchten mit türkisem Wasser säumen das Ufer. Nasenbären lungern am Straßenrand herum und warten auf Touristenbusse. Eine der giftigen Lanzenottern liegt überfahren am Rand. Kurz vor Nuevo Arenal hat man einen herrlichen Ausblick auf den See, ein kleiner Kunstgewerbeladen mit Gastronomie hat sich hier niedergelassen. In der Ortschaft gibt es so gut wie keine Touristen, nur Ausländer die sich für länger niedergelassen haben. Ich halte ausgehungert an der erstbesten Soda. Trinke meinen üblichen Morasaft und bekomme kurz darauf einen riesigen Teller Casado. Noch ein paar Säfte, einige Kuchen, etwas Wegproviant für die nächsten 1000Hm und ich kann der nächsten Steigung ins Auge schauen.
Blut für Öl
Mir gegenüber sitzt ein Ami der sich mit seinem Tico Freund über meinen Appetit wundert.
Er quetscht mich etwas aus. Woraufhin ich aber auch wissen will ob er wegen Bush hier ist. Ganz falsch, er zumindest hat ihn gewählt. Ob das Öl im Irak all die Toten wert ist möchte ich wissen.? Ich glaube nicht das wir wegen des Öls einmarschiert sind, ist seine Antwort. Aber er weiß doch das keine einzige Massenvernichtungswaffe gefunden wurde, stelle ich fest. Ja sicher, aber es musste endlich was passieren. Die toten Amerikaner und Iraker sind der Preis für die Freiheit, meint er lapidar. Amerikaner empfinden anders als Europäer, stelle ich immer wieder fest. Sie sind bereit für ihre manchmal haarsträubenden Ansichten über Freiheit und Demokratie viele Menschenleben zu opfern. Europäer sind viel mehr dem Humanismus und dem Individuum verbunden. Für sie zählt jedes einzelne Leben.
Nuevo Arenal ist erst 20 Jahre alt, das alte Dorf wurde vom Stausee überschwemmt. Die Strasse geht wie gewohnt im Steten auf und ab um den See herum. Grüne Hügel wechseln mit Dschungel und sehr vielen Flüssen. Um drei Uhr nachmittags bin ich erst in Tronadora. Ich kaufe noch einmal ein und erkundige mich nach dem weiteren Verlauf der Strasse. Die Piste wird ab hier sehr schnell unbefahrbar, wird mir mitgeteilt. Einer der Flüsse ist wegen des vielen Wassers unpassierbar. Außerdem ist die Strasse auf meiner Karte falsch eingezeichnet als Teerstrasse. In Wirklichkeit ist die nordseitige Piste um den See sehr schlecht. Es scheint die Kartographen haben schlicht die Seiten verwechselt.
Der Weg zurück ist aber noch viel weiter, also nehme ich den Bus. Wenn er denn kommt. Bis Nuevo Arenal komme ich am gleichen Tag dann ist Schluss. Kurzerhand quatsche ich einen Tico an der sein uraltes Auto gerade anschiebt. Er zögert nicht lange um 15 Dollar zu verdienen. Kauft noch etwas Öl und los geht’s. Bei Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder am Staudamm. Ich steige aus und bedanke mich.
Vulkan Arenal
Von hier radle ich zum Arenal, der nachts regelmäßig ausbricht und dabei rotglühende Lava ins Tal schleudert. Die Piste ist holprig und links am Berg hört man schon die Lava herunterpoltern. Am Aussichtspunkt stehen schon viele Menschen die mit Bussen ankamen. Ab und zu sieht man rote Lavabrocken rauchend die Hänge herunterrollen, aber die Bergspitze ist meist in Wolken gehüllt. Als die Wolken zunehmen machen wir uns auf den Heimweg. Ich sehe fast nichts, aber dann fährt ein Bus direkt hinter mir und leuchtet schön den Weg aus. 10 Km lang, ich bedanke mich artig als wir in die Teerstrasse einbiegen. Nachts in Costa Rica zu radeln ist auf befahrenen Strassen sehr gefährlich, man sollte es tunlichst vermeiden. Ich bin heilfroh gesund bei Gringo Petes anzukommen.
06.012.05
Los Chiles
Wildlife pur
Los Chiles ist ein verschlafenes Kaff an der Grenze zu Nicaragua, und Ausgangspunkt für Bootstouren auf dem Rio Frio. Dieser schöne ruhige Fluss führt durch eine reiche Vegetation mit riesigen Bäumen in das Feuchtgebiet Cano Negro. Ein Naturschutzgebiet in dem sich unzählige einheimische und durchziehende Vögel aufhalten.
Ein flaches leises Boot fährt mit den Touristen den Fluss hinauf, vorbei an den ersten Reihern und einzelnen Eisvögeln. Rechts und links am Ufer kann man mit etwas Übung sehr schnell die Kaimane erkennen. Sie sind bis zu zwei Meter lang und liegen absolut bewegungslos am Ufer. Auf einem umgestürzten Baum der im Wasser treibt, sitzt ein Schlangenhalskormoran. In der Sonne breitet er seine vom Tauchen nassen Schwingen zum Trocknen aus. In den Bäumen bewegen sich Brüllaffen, Kapuzineraffen und einige wenige Spideraffen. Jetzt um die Mittagszeit hängen viele bewegungslos in den Bäumen, sie müssen die toxischen Inhaltsstoffe der Blätternahrung verdauen. Nur ganz selten jagen die Affen auch Vögel oder Artgenossen. Vielleicht um Spurenelemente oder Mineralien aufzunehmen. Helmbasilisken laufen rasend schnell über das Wasser, ohne dabei unter zu gehen, deshalb auch der Name Jesusechse. Faultiere erobern sich in Zeitlupe neue Reviere. Auf einer feuchten Wiese, steht unter unzähligen Flamingos ein sehr seltener Marabu mit rotem Hals. Er ist der größte aller Störche.
Der Fluss ist fischreich, was viele Ticos zum Angeln herführt. Trotz der Kaimane baden Kinder im Wasser. Bei der Rückfahrt sehen wir noch einige Fledermäuse, die aufgereiht wie eine Perlenkette an der Schattenseite eines Baumes hängen.
07.12.05
90km. 3200 Hm.
Fortuna- Atenas
Speichenbruch
5Uhr30 ein heftiger Regenschauer prasselt auf das Wellblechdach von meinem Schlaffsaal. Entgegen meiner Absicht bleibe ich noch liegen, weil der Himmel so erschreckend schwarz- grau drohend aussieht. Bei Gringo Petes wird schon geputzt. Seine Mädels aus Nicaragua sind Gold wert. Schmeißen den ganzen Laden fast allein.
Ewas später nieselt es nur noch, ich streiche einige Brote, fülle die Flaschen und Bike Richtung Bosque San Ramon. Die Ticos sind Frühaufsteher, sie erledigen schon emsig ihre Geschäfte, oder warten an der Haltestelle auf die Busse die sie zur Arbeit bringen.
Auf einem Feld steht ein alter Mann und sät Mais in ein ehemaliges Yamsfeld. Er legt eine Mischkultur mit Süßkartoffeln an, der Mais macht oben dicht, die Süßkartoffel unten. Dem Unkraut bleibt keine Lücke.
Eine alte einsturzgefährdete Brücke ist für Autos gesperrt, aber nicht für Biker. Kurz danach, findet in einem Dorf eine große Beerdigung statt. Bei einem ungeschickten Manöver, brechen an meinem Bike vier Speichen am Hinterrad. In einer Ferreteria versuche ich neue aufzutreiben. Leider passen sie nicht, und ich wechsle zwei Speichen von der linken nach der rechten Seite, und richte dann den Achter aus.
Die Leute sind sehr hilfsbereit und freundlich. Sie bringen mir noch etwas Seife und Wasser zum Händewaschen und ich bedanke mich herzlich. Beim Aufsteigen knallt die nächste Speiche ab, aber egal jetzt fahre ich eben soweit wie möglich.
In Valle Azul kommt doch tatsächlich eine Strassen Mautstelle, für Autos versteht sich. Dann kommt der lang erwartete Anstieg, von 300Hm auf 1100Hm. Aber natürlich nicht sanft, sondern abrupt und steil, ist man endlich oben, geht’s wie zum Hohn sofort wieder runter. Dann wieder rauf, wieder runter usw. In einer Höhe von 400m kommt der Nebel, wie es sich gehört für den Nebelwald. Immer dichter wird er, reißt es kurz auf, sieht man tropische Plantagen mit Ingwer, Gewürzen, Papaya usw. Dazwischen ausgedehnte Kuhweiden, und an der Strasse Schilder mit dem Aufdruck: Queso Palamito zu verkaufen.
Ausgebrannt
Die Strasse verläuft lange Zeit auf 1000m Höhe, dann endlich geht es hinunter nach Villa Blanca. Aber der Schreck ist groß, auch schon wieder hoch. Meine Beine sind schon lange wie Blei, und vor allem, was viel schlimmer ist, mein Kopf ist leer will nur noch ankommen. So fertig war ich schon lange nicht mehr.
In San Ramon leitet mich ein Tico durch die Stadt, hinaus auf die Ausfallstrasse. In einem kleinen Restaurant esse ich einen Hamburger und trinke ein Bier, es ist schon halb fünf und ich habe noch einiges vor mir. Dabei sitzen mir die 2500Hm schon jetzt in den Knochen.
6km weiter liegt Palmares, ein nettes gemütliches Städtchen. Unter der Panamericana hindurch, durchquert man ein tiefes Tal, bevor es auf der gegenüberliegenden Seite wieder steil empor geht, und eine alte Siedlung mit schöner Kirche auftaucht. Meine Speichen sind schon so wacklig das ich hochschieben muss. Aber um ehrlich zu sein, ich kann auch nicht mehr. Selbst das Hochschieben ist eine Plackerei. So steil sind die Strassen.
Oben bei der alten Kirche taucht die Sonne gerade in die Berge von Atenas ein, und erfüllt sie mit warmem goldenen Licht. Ich mache einige Fotos, und bekomme dabei gute Tipps von den Ticos die zusehen. Trotz der kaputten Speichen, unterwegs sind zwei weitere gebrochen, sause ich dann den Berg wieder hinunter, weiter nach Atenas, wo ich halb in Trance ankomme, und prompt völlig benebelt durchfahre. Ich drehe um und schlage mir in meiner Lieblingssoda erst mal den Bauch voll. Dazu trinke ich einen Liter frisch gemixten Papaya Fruchtsaft. Der bringt auch Tote wieder auf die Beine. Die Wirtin die mich schon kennt, muss sich etwas Gejammer anhören, bevor ich die letzten Kilometer bis zu meinen Freunden den Berg hochschiebe.
08.12.05
Atenas
Erholen und Fahrrad reparieren ist angesagt. In Atenas hat ein Cannondale Mountainbike Händler meine Speichen. Mit neuen Bremsen, Handgriffen und sechs Speichen kostete die Reparatur 15 Dollar.
09.12.05
San Mateo- Manuel Antonio
85km. 1020Hm.
Auf Panoramastrassen am Pazifik
Jaco das beliebte Ausflugsziel ist seit meinem letzten Besuch wieder etwas gewachsen. Kneipen Discos was man am Wochenende eben so braucht. Jaco, das heißt Partymeile für die Ticos aus San Jose, die am Freitag einfallen und am Sonntag ausfliegen. Trotzdem könnte es schlimmer sein, keine 2 km außerhalb ist wieder Normalität eingekehrt. Die Panamericana hat einen herrlich breiten Seitenstreifen. Auf ihm kann man gemütlich am Pazifik entlang rollen, das Spiel der Wellen beobachten und Ausschau nach versteckten Stränden halten.
Eine grüne Baumschlange, ungiftig glaube ich, ringelt sich am Boden. Sie ist leicht verletzt und ich nutze die Gelegenheit ein paar gute Fotos zu schießen.
Bei Bejuco biege ich kurzerhand links ab auf eine Piste. Ein paar Bauarbeiter setzen ein Fundament für ein Wohnhaus. Das Wasser läuft wie ein Bach an ihnen hinunter und sie wirken etwas verbrannt und ausgelaugt. Dennoch winken sie mir zu. Einer setzt eine imaginäre Flasche an die Lippen. Ich beschließe ihnen beim Rückweg Getränke mitzubringen. Der nahe Strand ist schön, einsam und endlos. In einem verwahrlosten Soda gibt’s einen Drink für mich, dann fahre ich zurück. Bei einem kurzen Halt treffe ich einen Österreicher, der sich hier niederlassen und Cabinas vermieten will. Er hofft auf das große Geld wie all die anderen modernen Goldgräber hier.
In einer Kneipe deren Boden im mexikanischen Stil kunstvoll gespachtelt ist, kaufe ich drei Drinks für die Bauarbeiter, und gebe Gas damit sie kalt ankommen. Die drei staunen zwar etwas, trinken aber die Flaschen mit einem Zug leer.
Die Strasse ist jetzt glühend heiß. Die trockene Luft schnürt die Kehle zu und raubt fast den Atem. Zwischen 11Uhr und 14Uhr sollte man wirklich Siesta halten. Die andere Möglichkeit, die ich nutze, ist an jedem Gewässer die Kleidung einzutauchen und nass weiterzufahren. Das kühlt für ca. 30- 40 min.
In Quepos fahre ich direkt zum Hafen, aber es ist Ebbe und die Fischerboote liegen trocken.
Also, weiter nach Manuel Antonio. Kurz nach dem belebten Quepos geht es steil nach oben. Ein großer Hügel mit exklusiven Hotelanlagen und einem Flugzeug als Kneipe am Strassenrand, liegt zwischen den zwei Orten. Dann geht es endlich runter zu den wunderschönen Stränden von Manuel Antonio.
10.12.05
Nationalpark Manuel Antonio
Wache um 4.40 auf und kann nicht mehr einschlafen. Das Zimmer ist muffig trotz Ventilator. Ich stehe auf und mache Fotos vom Pazifik. Ein paar der Strandverkäufer haben im Freien gepennt. Ich wandere gemütlich zum Park, obwohl der erst um 8Uhr aufmacht. Die nette Dame lässt mich aber trotzdem als erster rein. Die Gelegenheit den sichelförmig geschwungenen Strand am Isthmus menschenleer zu fotografieren. Danach gehe ich zum Mirador und Puerto Escondido. So früh sind nur neugierige Pizotes (Nasenbären) und die Riesenmeerschweine unterwegs. Beim Baden in der einsamen Bucht fällt mir ein, das hier anscheinend schlafende Haie den Tag verbringen. Später am Strand, klauen die Kapuzineraffen Lebensmittel von unvorsichtigen Touristen. Lege mich im Schatten schlafen den Arm im Rucksackträger, man weiß ja nie.
Die Cabina in der ich wohne gehört einem lauten Bayern. Hier treffe ich einen Japaner der Spanisch lernt mit römischen Ziffern. Ein paar Gringos feiern lautstark die ganze Nacht.
Morgens gibt’s dann Ärger, eine hysterische Frauenstimme schreit Stop it, Stop it, ungefähr 10mal. Ich stehe auf und erlebe eine kleine Schlägerei mit einem besoffenen Tico. Es ging um eine Frau die er angemacht hat. Einer der Gringos brüllt mächtig herum: I kill you usw. Der Bayer hat Kratzspuren im Gesicht und der Tico schleicht sich. So geht’s eben zu in einem Erholungsort am Wochenende. Ich packe seelenruhig mein Zeug zusammen und radle weiter zu den wirklich einsamen Stränden weiter südlich. Weg vom Ballermann.
11.12.05
Manuel Antonio-Uvita
70km 600Hm.
Staub schlucken
Nachdem der Schweißtreibende Anstieg nach Quepos überwunden ist, besuche ich die einzig offene Soda am Markt. Für 2 Dollar kann man hier Gallo Pinto mit Eiern frühstücken, und der schwarze Kaffee dazu ist frei. Es ist noch früh am Morgen und der Himmel ist bedeckt. Die Strasse wird sehr schnell zur Piste, und die führt schier endlos an Ölpalmenplantagen vorbei.
Ab und zu fährt ein LKW vorbei und hinterlässt einen staubigen Tunnel, der den Himmel verfinstert. Der feine Staub setzt sich auf jede Pore, und man steht förmlich vor Dreck. Nach 40 km habe ich genug Staub geschluckt, ein Fluss spült den Dreck von mir und meinem Fahrrad herunter und nimmt ihn mit ins nahe Meer. Hungrig wie ein Wolf fahre ich eine kleine Soda an. Es riecht hervorragend hier. Ein Blick in die Vitrine lässt den Magen knurren. Yucca ist ohnehin meine Leibspeise, und hier gibt es eine Leckerei aus frittiertem Yuccateig gefüllt mit Hühnchenfleisch. Dazu einige Rindfleischbällchen in Soße, und man liebt dieses Land noch viel mehr.
Dominical
Eine nagelneue Teerstrasse führt weiter nach Dominical, wo am Ortseingang markant gelegen der Sportplatz liegt. Trotz des tropischen Klimas hat sich der Fußball als Volkssport durchsetzen können. Kleine verschlafene Küstenorte haben genauso ihren Campo de Futbol, wie kühle hochgelegene Gebirgsdörfer. Der Campo ist Dreh und Angelpunkt im Dorf. Am Sonntag sind die Ligenspiele und unter der Woche trifft sich die Jugend hier zum Kicken. Kein Wetter ist dafür zu schlecht, und wenn man keine Schuhe zur Hand hat spielt man eben barfuss.
Die Costa Ricaner freuen sich sehr über das Eröffnungsspiel gegen Deutschland. Die Augen der Welt sind dann auf sie gerichtet, und sie wünschen sich ein spannendes Spiel. Der Angriffsfußball den sie bei ihrem Sieg gegen die USA in der Qualifikation zeigten, lässt darauf hoffen. Auf einen Sieg tippen die meisten allerdings nicht. Zu konzentriert wären die Deutschen, außerdem fähig sehr starken Druck auf ihren Gegner auszuüben, meint ein Fan aus dem Pazifischen Küstenort Golfito an der Grenze zu Panama. Dennoch hofft er auf den David gegen Goliath Effekt.
Fußball Spiel
In Dominical auf dem Fußballplatz hat es jetzt um die Mittagszeit 35 Grad im Schatten. Der Platz ist von Bäumen umgeben, da die Sonne aber fast senkrecht steht gibt es dennoch keinen Schatten für die Spieler. Am Imbiss gibt es keine Würstchen, sondern Gallo Pinto, Reis mit Bohnen und frittierte Hähnchenschlegel. Jugendliche Fans gehen nervös an der Außenlinie entlang. Die Jungs mit viel Crema Latina im Haar, die Mädchen in aufreizend knappen Tops. Der Gegner von Dominical ist Puerto Nuevo. Es fallen in schneller Folge einige schöne Tore, aber dennoch ist es schwer für mich, zu erkennen welches die Heimmannschaft ist. Zu verhalten ist der Jubel. Dann grätscht ein Spieler von Puerto Nuevo von hinten in den Gegner. Ein klares Foul, der Pfiff bleibt nicht aus. Der Schiedsrichter zeigt die gelbe Karte, mit deutlich empörter Miene, während die Zuschauer ganz gelassen bleiben. Das Spiel endet schließlich mit einem Sieg von Dominical. Für mich erstaunlich ist, mit welcher Gelassenheit die Ticos reagieren. Ihr Fatalismus in allen Lebenslagen, , sogar beim Fußball, ist sprichwörtlich. Aber ist es denn ein Wunder, ringsumher wachsen Palmen und Bananenstauden wie im Tropengarten, einige hundert Meter weiter rollen pazifische Wellen ans Ufer, auf deren Rücken sich die Surfer die Zeit vertreiben. Die Sonne lacht wie meist am Nachmittag vom blauen Himmel. Gute Laune Wetter eben. Die Damen am Imbiss, strahlen um die Wette. Nebenan gibt’s zwei Pina Colada zum Preis von einem, und die Frauen sind die schönsten der Welt, so hat man mir versichert.
Es ist ein sehr schönes Land das die Nachfahren der spanischen Konquistadoren ihr eigen nennen dürfen. Die Costa Ricaner sind zurecht stolz darauf. Auch das sie sich erlauben konnten 19.. das Militär abzuschaffen wissen sie sehr wohl zu schätzen. Bitter beklagen sie sich über die ungewohnten Militärpatrouillen, wenn sie mal im Ausland weilen. All dies wurde ermöglicht durch eine stabile demokratische Regierung, bei einem für Mittelamerika hohen Pro Kopf Einkommen.
Meeresnationalpark
In Uvita liegt der Meeresnationalpark Maria Ballena. Am Wochenende ist er mit Ausflüglern gut besucht. Die Ticos nutzen ihre freien Tage für solche Unternehmungen. Das Auto vollgepackt mit Picknicktaschen, Bierdosen und Ghettoblaster suchen sie ein schönes Plätzchen, und genießen Sonne und Meer. Ein Vater macht ein Wettrennen mit seinem Sohn, wirft sich theatralisch und mit viel Geschrei kurz vor dem Ziel in den Sand, und verliert natürlich. Auf dem breiten Sandstrand spielt eine Familie Fußball gegeneinander, Mutter und Sohn gegen Vater und Tochter, wieder andere flanieren am langen Strand entlang. Gegen Abend leert sich die Szenerie, die Ausflügler reisen nach einem letzten Bad und wehmütigen Blicken ab nach Hause. Plötzlich bin ich mutterseelenallein im Park mit meinem Zelt. Der Abend ist so dämpfig und schwül das ich nicht schlafen kann. Ich mache mich mit Wasser nass, und liege schwitzend auf dem Schlafsack im offenen Zelt, zum Glück gibt's keine Moskitos. Dann beginnt es zu regnen und ich muss auch noch die Reisverschlüsse zuziehen. In der Nacht kommt die Flut bis ans Zelt heran und vom Himmel scheint zwischen den Wolken der Vollmond hindurch. Ich fühle mich unwohl, höre seltsame Geräusche habe Angst und die Nacht endet schließlich fast schlaflos.
12.12.05
Uvita-Golfito
115km. 1500Hm.
Entdeckung der Langsamkeit
Etwas gerädert von der letzten Nacht bike ich auf der wunderbaren Strecke am Pazifik, Richtung Panamericana entlang. Immer wieder eröffnen sich faszinierende Ausblicke auf das Meer und Mangrovenwälder. Die Strasse führt dicht am Meer durch einsamen tropischen Dschungel. Ich rieche betörend süße Düfte von unbekannten Orchideen und blühenden Bäumen, dazu die erfrischende Luft nach dem nächtlichen Regen. Ich bin fast ein wenig high. Nur der knurrende Magen stört schon geraume Zeit. Wie wäre das jetzt im Auto denke ich immer wieder. Keine Gerüche, keine Zeit, und vor allem viel zu schnell unterwegs. Zu schnell für die riesige Heuschrecke die am Boden sitzt. Zu schnell auch um das Gackern eines Tukans zu hören. Er sitzt auf einem nahen Papayabaum und plündert eifrig eine der reifen Früchte. Zu schnell für die großen Leguane die bei einer Brücke in ihren Schlafbäumen zu beobachten sind. Schon lange habe ich außerdem einen wunderschönen bunten Vogel gesucht, und jetzt hat er mich gefunden. Dazu braucht es Zeit und Geduld.
Beim Reisen sollte man die Chance haben kleine Schätze zu entdecken, die Geschichten anderer Menschen zu hören und dabei selber welche erleben.
Fliegende Händler
Links der Strasse taucht endlich eine Soda auf. Davor stehen die zwei gelben Pickups die mir schon den ganzen Morgen über den Weg laufen. Es sind fliegende Händler die Kleider in den Dörfern und Gehöften anbieten. Wir kommen schnell ins Gespräch, den sie haben mir schon mehrmals unterwegs zugerufen und mich angefeuert. Sie sind sehr neugierig und freuen sich das mir ihr Land so gut gefällt. Es sind junge Leute die viel Spaß an ihrer Arbeit haben und jedem in der Nähe ihre Jeans und Blusen zeigen. Die Besitzerin des kleinen Sodas kann leider nur schlecht rechnen, und gibt mir beim Bezahlen viel zu viel Wechselgeld zurück. Das ist mir hier in Costa Rica schon öfter passiert. Die Leute freuen sich aber sehr über Ehrlichkeit.
Leider verziehen sich die Wolken nach und nach und die tropische Sonne brennt mit Macht fast senkrecht nieder. Zum Glück gibt es viele Bäche zum Duschen, aber in Palmar Norte lechze ich nach Wasser. Das gibt es umsonst auf der Bank, die zudem Aircondition hat und meine Travellerscheks fast ohne Gebühr wechselt. Danach esse ich Maisfladen und die leckeren Empanadas. Eins meiner Lieblingsessen in Costa Rica.
Tropen Gewitter
Ein Tico bettelt mich an ob ich ein paar Colones Fahrgeld für ihn hätte. Ich muss lachen, weil er mich einen Tag zuvor in Uvita schon nach Geld gefragt hat um genau in die andere Richtung zu fahren. Er erkennt mich und lacht mit. Beim nächsten klappt es vielleicht wieder.
Auf dem langen Weg nach Golfito braut sich was zusammen, ich erlebe auf dem Fahrrad mein erstes Tropengewitter. Vor mir zucken die Blitze ins Gebüsch und mächtige Donnerschlage lassen mich erzittern. Von wegen in den Tropen gibt es kein Gewitter wie ein Freund behauptet hat. Ich muss mich kurz bei einigen Jugendlichen unterstellen. Sie füttern ein verwaistes Hündchen und sind überaus besorgt um es. Kurz darauf der nächste Schauer, ich stelle mich bei einer verwitweten Mutter mit zwei Kindern unter. Sie jammert ein wenig und schaut mich mit großen Augen an. Allzu gern scheint mir, würde sie sich aus ihrer Misere in eine hoffnungsvollere Zukunft entführen lassen. Beim Abschied meint sie ich solle doch auf dem Rückweg vorbeischauen. Keine 4 Kilometer weiter schüttet es schon wieder wie aus Eimern. Ich flitze zu einer hübschen Tica unter ein prasselndes Wellblechdach. Bevor ich mit ihr ins Gespräch komme, hält schon ein LKW und bietet ihr einen Platz an, mich übersieht er großzügig. Was soll's ich war schon so oft nass hier, warum nicht heute. Der Regen wischt den Schweiß aus den Augen, er erfrischt und pflegt die Haare wie nichts anderes.
Prozession im Regen
In Palmar Sur nahe der Grenze zu Panama hängt eine Marienprozession im strömenden Regen fest. Die frommen Pilger sitzen stoisch mit ihren weißen Gewändern auf einem Pickup und klammern sich an ihre Regenschirme. Manche erheben vorwurfsvoll den Blick nach oben. Ich bin eine willkommene Abwechslung für sie. Mache ich doch einen noch bemitleidenswerteren Eindruck als sie. Hat kein Geld für ein anständiges Auto und muss im Regen mit dem Fahrrad fahren. Dann kommt in bester Laune ein halbnackter Bananenverkäufer singend im Regen daher, und versucht uns mit einigen Faxen aufzuheitern. Aus seinen Gummistiefeln quillt schon das Wasser oben heraus. Er baut sich vor mir auf legt seine Staude über die Schulter und lächelt amüsiert in meine Kamera. Ein Foto bitte. Ich weiß nicht wer jetzt eigentlich über wen lacht. Aber das Wichtigste ist das überhaupt einer lacht, und daran fehlt es hier fast nie. Als ich aufsteige quillt das Wasser aus meiner Radhose und läuft direkt in die eh schon nassen Schuhe. Ich werde heute abend wieder einmal Füße wie eine Wasserleiche haben. Socken trage ich sowieso nicht, aber das nächste Mal werde ich Radschuhe aus Netzgewebe anschaffen. Sie trocknen schneller und hinterlassen keine Rostflecken auf der Haut, an meinen Füßen ist der Schuh schon genau abgebildet.
Golfito
Golfito hat etwas magisches, etwas was sich schon am Ortseingang wie ein Zauber über einen legt. Alles wirkt betörend sanft und einschläfernd. Eine alte Stadt mit einem eigentümlichen dekadenten Charme. Der heiße schwüle Süden scheint hier die Zeit zu stehlen. Selbst der Pazifik plätschert nur leise an die Ufer, bevor er sich wie ein Dieb still und heimlich ins Meer zurückzieht und die Boote auf dem Trockenen liegen lässt. Nur die Sonne besteht auf einen furiosen abendlichen Abgesang am Himmel, bis sie im Ozean versinkt. Liebe auf den ersten Blick nennt man das.
13.12.05
Golfito-Puerto Jimenez
30 km.
Die zwei Stunden bis zur Abfahrt der Fähre nach Peninsula de Osa, verbringe ich damit den alten Bahnhof mit der rostigen Dampflok anzuschauen. Dabei stoße ich auf die ehrwürdig-alte Universität direkt am Pazifik. Im Kolonialstil aus viel Holz errichtet, umgeben von perfekt gepflegten grünen Rasenflächen, lädt sie ein zum Träumen. In der schwülen Hitze steht einem der Sinn wohl eher auf fleischliche Gelüste denn auf angestaubte Lehrinhalte. Das Klima hier wirkt wie leises Gift in meinen Adern. Es nagt an allen guten Vorsätzen und Plänen, lähmt die Impulse und trübt das Auge. Am Anlegeplatz der Fähre steht ein Städtischer Arbeiter im Wasser. Die Ebbe hat ein rostiges Stahlgerüst freigelegt. Mit ruhigen fast kraftlosen Schlägen zerkleinert er die angefressenen Reste des Gebildes. Kurz darauf hat das Meer das Szenario wieder überschwemmt. Der Mann steht hüfttief im Wasser, und sein schwerer Hammer sucht noch die letzten rostigen Spitzen. Langsam watet er dann aus den Fluten, das Salzwasser wird für ihn weiterarbeiten. Golfito hat die höchsten Niederschläge im Land. Bei der Überfahrt nach Osa begleitet uns ein warmer an und abschwellender Regen. Das Meer verschwindet im Grau, in all den unzähligen Varianten der diese Farbe fähig ist. Zwei Männer stehen trotz des Regens wie Galionsfiguren auf dem Bug. Schweigsam starren sie in den trüben Horizont, den Blick immerzu nach vorne gerichtet wie es nur Seeleute tun. Was schert mich das was hinter mir liegt, vorne in der Weite liegt ein neuer Tag, neues Glück sagt ihre Haltung.
Leider kann ich ihre Ruhe nicht teilen, mein Fahrrad liegt unverzurrt auf dem Dach und das Boot schaukelt wie wild in den Wellen. Verzagt sehe ich es schon in das tiefe Blau des Meeres eintauchen. Der Kapitän liest meine Gedanken und teilt mir seinerseits wortlos mit, setz dich hin und entspanne dich. Ich bin die Mutter aller Reisenden. Ein Blick in das schwülheiße Innere der Kabine gibt ihm recht. Babys am Busen der Mutter, schlafende Alte und Junge in eine geheimnisvolle Lethargie gefallen. Dieses Boot ist gebaut für den Rhythmus des Pazifiks, es ist wie die Trommel eines Musikers, ein Instrument auf dem das Meer spielt. Es spielt eine uralte Melodie älter als alles was man kennt. Eine die tief ins Innerste dringt und die Seele schwingen lässt im Takt des Ozeans.
Osa
Die Küstenlinie der Peninsula Osa ist flach und relativ gerade. Gesäumt von mächtigen Bäumen lässt sie erahnen welch artenreicher Dschungel sich dahinter verbirgt. Erst im Hinterland erheben sich niedrige Berge, dort wo sich die Viehhaltung nicht durchsetzen konnte und sich der berühmte Nationalpark Osa befindet. Leider hat man vor Jahrzehnten Gold an seiner Grenze gefunden, und so tauchen allenthalben illegale Schürfer auf die die Gegend durchwühlen. Leider ist der Park zur Zeit geschlossen. Eine unbekannte Krankheit hat die Affen befallen, so das sie teilweise tot von den Bäumen fallen. Die Spekulationen gehen von der Vogelgrippe bis zu menschlichen Grippeviren. Die Touristen die aus Unwissenheit dennoch angereist sind, vertreiben sich die Zeit mit Trekkingtouren dem mieten von Quad's, oder sie hängen einfach in den Bars herum. Ich mache mich mit dem Bike auf den Weg, aber infolge meiner schlechter Motivation und der morastigen Strecke drehe ich entnervt wieder um. Eigentlich wollte ich nach Lapas Rios einem der wertvollsten Ökoreservate der Welt. Hat das Klima mich ausgelaugt oder das Meer mir den Ehrgeiz genommen. Ich fühle mich auf jeden Fall völlig antriebslos. Ein Zustand der kaum zu ertragen ist. Abends setze ich mich wie selbstverständlich zu einer Alleinreisenden. Man erkennt sich sofort und sucht gezielt den Kontakt untereinander. Leider wurde sie in San Jose im Park ausgeraubt. Die Hauptstadt und Cahuita scheinen die kriminellsten Orte des ansonsten ruhigen Landes zu sein. Am folgenden Morgen werde ich mit dem Bus nach San Isidro reisen um den Cerro Chirripo zu besteigen. Das habe ich bis jetzt vermieden, weil in der Regenzeit die Berge meist wolkenverhangen und nass sind. Dann ist der Aufstieg eine einzige Schlammschlacht.
14.12.05
Puerto Jimenez-San Isidro
20 km. 1300 Hm.
Um 4Uhr 30 fährt der Bus. Er kostet 4$ für mich und mein Bike muss extra bezahlen auch 4$. Ich habe es auf jeden Fall deutlich bequemer fürs gleiche Geld. Die 43 km zur Panamericana sind gespickt mit Schlaglöchern und ausgewaschenen Rinnen. Aber der Fahrer ist ein ausgebuffter Offroad Profi. Bei den großen Löchern steigt sein Navigator aus und legt Steine in die Gräben, hinterher entfernt er sie wieder, damit das Wasser ungehindert abfließen kann.
Ein junger Ami steigt zu und setzt sich neben mich. Er war auf der Nonifarm eines Landsmannes, der durch die Frucht vom Krebs geheilt wurde und sich dann zum Anbau dieser Bäume entschloss. Sein nächstes Ziel ist die Bambusfarm eines Amerikaners in San Isidro.
San Gerardo de Rivas
Kaum angekommen schwinge ich mich in den Sattel um die 20km und 1300Hm. nach San Gerado de Rivas unter die Pneus zu nehmen. Es ist eine fruchtbare Gegend hier, je höher je grüner wird es. Es gibt viele Plantagenkulturen und etwas Viehzucht. Die letzten Kilometer sind Schotter mit steilen Anstiegen gespickt.
Im Parkverwaltungsbüro hole ich eine Genehmigung zum Besteigen des Chirripos, und erfahre das die letzten Tage keine Sicht am Gipfel herrschte. Gleich nebenan gibt es eine einfache Cabina für 7$. Ich kaufe Gummistiefel für den Weg und Proviant ein. Das kleine Dorf mit dem tollen frischen Klima, ca. 24Grad ist die absolute Erholung nach der schwülen Peninsula de Osa. Zur Regenerierung setze ich mich in eine Bar mit einem großen Glas frischem Fruchtsaft und schaue den Fußballern nebenan auf dem Campo zu. Die Drinks hier sind gut, und so treffe ich einige Gleichgesinnte die mit mir auf den heiligen Berg der Ticos steigen wollen.
15.12.05
Aufstieg zum Basecamp Los Crestones
Um 6 Uhr treffen wir uns zum Frühstück in der Cabina einer Australierin. Mit Schlafsack, Proviant, Regenschutz und voller Neugier gehen wir los. Im unteren Teil überquert man einen reißenden Bergbach, dann einige Viehweiden mit den leidigen Fliegen, bis man den eingezäunten Park betritt. Der Weg ist nicht so schlammig wie geschildert, man versinke knietief im Matsch hatte ich gehört, wahrscheinlich nur mitten in der Regenzeit. Jetzt kann ich dank meiner Trittsicherheit ohne Probleme die Gummistiefel im Gepäck lassen und mit meinen Radschuhen wandern. Aufmerksam mustere ich die hohen bizarren Bäume. Es sind Oaktrees, (Eichen) die fast vollkommen mit herabhängenden Flechten, dem Old Mens Beard, bewachsen sind. Licht stehen die hohen kahlen Stämme, in denen ich aufmerksam nach den grünen Federn des Quetzals Ausschau halte. Zur Fruchtreife der wilden Avocados hält er sich hier auf. Der sehr seltene große und wunderschöne Vogel hat schon die Ureinwohner fasziniert. Göttervogel nannten sie ihn ehrfürchtig. Mit zunehmender Höhe verändert sich dieser Märchenwald, die Bäume werden niedriger und Sträucher und Blumen dominieren. Es beginnt sehr aromatisch zu riechen. Farne und Gräser besiedeln die trockenen Südhänge. Kolibris schießen wie ein Pfeil in den Himmel, bevor sie plötzlich wenden und auf eine Blüte herunterstürzen. Kein anderer Vogel kann solch dramatische Richtungswechsel vollziehen, mein Auge kann der Flugbahn nicht folgen. Damit nicht genug schwenkt eine große Formation von Papageien zum Berghang, fliegt dort eine scharfe Wende und verschwindet unter großem Gelärme in den Weiten des Himmels. Dann ist es wieder absolut still.
Feuerlilien, Salbei, Lupinen verwandeln das Tal der Blumen "Val de los Flores" in ein Blütenmeer. Zu hoch sind wir schon für die empfindlichen Bäume die den Pflanzen das Licht rauben würden. Im Val de los Leones wurden schon viele Pumas gesichtet. Zwischen den steppenähnlichen gelben Gräsern sind sie aber schwer auszumachen.
Die Losung von Tapiren liegt auf dem Weg. Er ist nicht nur für uns die bequemste Art der Fortbewegung. Um halb zwei bin ich am Refugio auf 3400m. Aber weil heute ein wolkenlos schöner Tag ist, nutze ich die Gelegenheit gleich weiter auf den Gipfel zu steigen.
Chirripo 3820m
Ich melde mich kurz im Refugio an und lasse den Schlafsack und den Proviant zurück.
Dermaßen erleichtert geht es an einem schönen klaren Bach mit tiefen Gumpen fast eben zum Valle de los Conejos, ins Tal der Kaninchen. Seit einem verheerenden Brand vor einigen Jahren gibt es aber keine Kaninchen mehr. Trotz der müden Beine versuche ich die letzten 5km. schnell hinter mich zu bringen. Es lockt der freie Blick auf den Atlantik und den Pazifik. In dieser großen Höhe über 3000m gedeiht eine Vegetation wie man sie im tropischen Costa Rica nicht kennt. Niedrige Büsche mit ledrigen zähen Blättern und trockenresistente bambusähnliche Gräser prägen die Landschaft. Viele kleine Seen beleben die Hochebene.
Auf allen Vieren kraxle ich die letzten steilen 60m auf den Chirripo, die dünne Luft rasselt pfeifend durch die Lunge und mein Herz schlägt so schnell das ich mir ernsthaft Sorgen mache.
Oben am Kreuz stehen drei junge Ticos, wir scherzen miteinander, bevor wir uns in den besten Posen vor der wehenden Fahne von Costa Rica fotografieren.
Ich setze mich bequem auf meinen Hintern, ziehe die wenigen Klamotten die ich dabei habe an, und warte auf den Sonnenuntergang. Immer wieder wagen sich neugierige Wolkenfetzen herauf, bevor sie von den Strahlen der Sonne geschluckt werden. Rechts von mir wirft keine 50km entfernt der Atlantik seine Wellen ans Ufer und links der Pazifik. Unüberwindbar steht die Cordillera Central zwischen den gewaltigen Meeren, 120km Luftlinie sind sie voneinander getrennt. Es herrscht freie Sicht auf ein herrliches Berg Panorama, aber in ca. 2000m Höhe gleiten mächtige weiße Kumuluswolken über den Ozeanen. Wie Inseln ragen nur die höchsten Berge darüber hinaus. Ganz allein hier oben wirkt diese Landschaft, die so gar nicht zum tropischen Costa Rica passt noch viel irrealer. Das karge eintönige in ihr, das zähe sich ans Überleben klammernde Leben, steht dem schwülen überquellenden sinnlichen Wesen der Niederungen entgegen wie Feuer dem Wasser. Die Cordillera Central ist das einfache klare, die Shilouette die alles Wesentliche zusammenfasst. Das Zentralmassiv in dem der Westen und der Osten kumuliert. Verbunden durch die Sonne die morgens aus dem Atlantik aufsteigt, um jetzt am Abend um 17.00 Uhr im Pazifik wieder unterzugehen.
Schnell wie immer wird es dunkel, und der Vollmond lässt sich leider Zeit zum Erscheinen. Im Schein meiner Stirnlampe jogge ich zurück. Voller Angst auf eine verspätete Schlange zu treten, zu allem Überfluss hat mir ein Amerikaner gestern erzählt, wie ein Puma eine Joggerin getötet hat. Das war definitiv die falsche Geschichte für das Tal der Kaninchen. Immerhin sind die Kaninchen ja 1992 verbrannt. Was frisst der Puma also jetzt. Ein Problem das mich bis dato überhaupt nicht interessierte. Gott sei Dank geistert außer meiner Fantasie hier nichts herum und ich koche im Refugio erst einmal einen riesen Schlag Spaghetti mit Thunfisch. Genau jetzt geht natürlich ein imposant heller Vollmond auf. Um 8Uhr, geht das Licht das von einer Photovoltaikanlage stammt, aus und wir legen uns auf die harten Plastikmatratzen. Trotz meines superdünnen Leichtschlafsacks ist es nicht kalt, aber in dieser Höhe kann ich trotzdem nicht schlafen.
16.12.05
Cerro Ventisqueros
Um 4.40 stehe ich auf um den zweiten 3800er den Cerro Ventisqueros zu besteigen. Eigentlich wäre ich gerne vor der Sonne da, aber ich schleppe mich ohne jeden Elan Schritt für Schritt wie eine Schnecke nach oben. Vermutlich habe ich mich gestern doch etwas übernommen. Befriedigt stelle ich fest das der Boden gefroren ist, also keine Schlangen. Die warten bis untertags die Sonne den Boden auf über 20 Grad aufheizt. Der Gipfel ist heute wieder frei, aber darunter gleiten schon dicke Wolken entlang. Dennoch haben wir viel Glück gehabt, den zuvor war tagelang schlechtes Wetter mit null Sicht gewesen. Zurück am Refugio sitzen bibbernd und erschöpft einige Ticas. Für sie ist es ungewohnt kalt hier oben, sie haben sich ein Paar Wollsocken über die Hände gestülpt.
Erst spät um 15Uhr nach einem kleinen Schläfchen am Fluss zwischen den Büschen mache ich mich auf den Heimweg. Eine gute Zeit im Tal der Blumen noch einige gute Fotos zu machen.
Abends im Dunkeln habe ich die 16km endlich geschafft. In meiner Cabina schaue ich zuerst nach meinem geliebten Fahrrad, und bestelle dann den üblichen Casado mit Fisch.
17.12.05
Heiße Thermen
Samstag morgen in Rivas. Wache um 6 Uhr auf, weil die ersten Wanderer sich auf den Weg zum Chirripo machen. Der saubere fröhlich sprudelnde Bach an dem Rivas liegt, wird auch von einigen Thermalquellen gespeist. Rechts und links des Ufers wuchern Schlingpflanzen an den Bäumen hoch. Viele Schmetterlinge sammeln den Nektar der Blüten und die zahlreichen Früchte locken unzählige Vögel an.
Mitten im dichten Bergwald, liegt abgelegen ein kleines verträumtes Thermalbad. Ideal um die müden Beine etwas zu erfrischen. Gerade als ich auf einem warmen Felsmäuerchen, mit dem Gezwitscher der Vögel und dem unentwegten Zirpen der Grillen im Ohr wegdöse, kommt eine lustige Ausflugsgesellschaft daher. Die Frauen verschwinden in der engen Umkleidebox, aus der sie alsbald fast unverändert wieder auftauchen. Mitsamt ihren Kleidern legen sie sich dann ins heiße Wasser. Dort werden lautstark die klassischen Themen erörtert, Kinder Küche Kirche. Sind sie doch mit einem Bus unterwegs der die Aufschrift: "Jesus kommt bald" trägt. Jesus viene pronto. Das uralte rostige Vehikel lässt allerdings befürchten das dem bald so geschehen könnte.
Die Ruhe ist dahin und ich wandere weiter nach Herradura am Oberlauf des Flusses gelegen. Eine junge Joggerin läuft an mir vorbei einen verdammt steilen Stich hinauf. Die Menschen hier haben Biss, beim jährlichen Berglauf zum Refugio ist die Bestzeit unter 2Stunden. Später treffe ich einen älteren Campesino der jeden Morgen mit strammen Schritt nach Herradura hoch läuft, und jeden Abend 'breit' grinsend die ganze Piste benötigt um heil wieder herunterzukommen. Er scheint nicht nur die Milch der Kühe zu trinken um die er sich kümmert. Zurück in Rivas komme ich gerade recht zu einem Fußballturnier mit anschließender Bingoparty. In der Frittenbude am Sportplatz gibt es selbstgemachte Pommes und eines dieser saftig würzigen Rindersteaks mit Zwiebeln für das ich mich von Vegetariern ans Kreuz nageln liese. Übrigens wer als Vegetarier mit dem Hauptgericht Reis mit Bohnen und als Beilage Gemüse oder Rührei klar kommt, hat keinerlei Probleme im Land.
Rivas liegt in einem engen Tal, wenn der Nebel wie eine Glocke darüber liegt, schweißt er die Einwohner noch enger zusammen. Jeder kennt alle jeder weiß alles. Die Touristen werden wohlwollend aber zurückhaltend aufgenommen. Sie bringen Geld und Abwechslung und gehen meist ohne Spuren zu hinterlassen. Aber die Menschen von Rivas sind stolz auf ihre Berge, und die Eindrücke die wir Touristen von ihnen mit nach hause nehmen. Ein wenig könnte man aber denken, die Nationalparkverwaltung hätte am liebsten hauptsächlich Ticos auf dem heiligen Berg Chirripo.
18.12.05
Cartago-Cachi Stausee Orosi.
50km. 500Hm.
Fahre um 6.00 Uhr mit dem Bike zurück nach San Isidro. Nach dem anfänglichen Gerüttel auf steiniger Piste, ist es ein wahrer Genuss durch die hügelige Landschaft abwärts zu rollen. Vorbei an fruchtbaren Feldern, sanften Hängen, bewaldeten Höhenzügen und Flüssen. Zahlreiche der typischen hölzernen Häuser säumen den Weg. Meist sind sie gepflegt und schön gestrichen mit einladenden Portalen. Die Fenster mit Girlanden oder Weihnachtsschmuck verziert, die Holzveranda mit Motorrad, Fahrrad oder Schaukelstuhl besetzt. Kinder spielen in den Bäumen und Väter waschen ihre Autos. Es sind kleine Häuser was aber den Stolz der Besitzer nicht mindert. Im geschäftigen San Isidro stehen die Menschen schon Schlange für ein Busticket nach San Jose. Ich bezahle 3$ für mich und 2$ fürs Fahrrad, und frühstücke danach in einer Bar. Gallo Pinto mit Rührei und Kaffee. Unterhalten werde ich von Urlaubern aus San Jose, die auf der Peninsula de Osa mit dem Quad einige Touren durchs Gelände gemacht haben. Diese Gefährte sind im Augenblick sehr beliebt bei den Ticos. Mehr als Fahrräder höre ich heraus. Aber es ist immer wieder aufs Neue angenehm zu erfahren, wie freundlich, aufgeschlossen und souverän eine Nation, die glücklich und stolz auf ihr Land ist, mit Fremden umgeht.
Der Bus schlängelt sich mühsam auf den Pass des Cerro de la Muerte hinauf. Die Strasse ist so eng das sich die Spiegel bei Gegenverkehrs streifen. Hier zu radeln ist deshalb nicht zu empfehlen. Durch das Fenster öffnen sich weite Ausblicke auf neblige Täler, steile Berghänge und endlose Wälder. Muerte, Tod wird der Pass deshalb genannt, weil früher einige Händler und Reisende bei Wetterstürzen auf ihm erfroren sind.
Im Valle de Orosi
Cartago religiöses Zentrum von Costa Rica, und Bischofssitz ist mein Ziel. Vorbei an großen und kleinen Kirchen, und deren Ruinen radle ich mit viel Verkehr in Richtung Paraiso und weiter zum Cachi Stausee. Kurz vor dem See geht es noch einmal steil hoch, bevor man an einer senkrechten Klippe mit Wasserfall hinunter ins Tal und zum Stausee sieht.
Auf der Fahrt rund um den See, schließe ich mich einer Gruppe junger Radsportler aus Cartago an. Sie nehmen mich in ihren Windschatten, was ich dankbar annehme. Der See ist ziemlich ausgetrocknet was ihn nicht unbedingt attraktiver macht. Nur die vielen Kaffeeplantagen drum herum sind sehenswert.
Schneller als gedacht bin ich in Orosi. Nach etwas Sucherei checke ich im Hotel Montana Linda ein. Nette Leute, Gemeinschaftsküche und Sprachschule im schönen Innenhof machen es hier richtig gemütlich. Später treffen zwei Schweizer mit Bike ein und ich verabrede mich zum Abendessen mit ihnen. Wir kochen Pasta und ich mache einen frischen Obstsalat mit den süßesten Ananas und Bananen die man sich vorstellen kann. Angeregt tauschen wir unsere Erfahrungen mit dem Biken in Costa Rica aus. Sie erzählen wie sie sich mit Abstandsfahnen und Steinen die Lkws vom Leib halten. Nebenbei leeren wir noch eine gute Flasche Rum Centenario der den Abend vollkommen macht.
19.12.05
Orosi-Turrialba
65km 1600HM.
Der nächste Morgen ist grau und verhangen. Kein Wetter um in den Nationalpark Tapanti zu gehen. Ich ändere meine Pläne und fahre los in Richtung Turrialba. Zurück zum Stausee und dann steil hoch nach Santiago zur Hauptstrasse. Unterwegs liegen arme Landwirtschaftsdörfer an trockenen Hängen. Immer wieder trifft man auf Reste der alten Bahnstrecke. Sie führte von San Jose bis nach Limon am Atlantik, und diente der United Fruit Company unter anderem dazu ihre Bananen zu transportieren. Bei einem Unwetter wurde sie unpassierbar und nicht wieder instand gesetzt. Aber es ist möglich entlang der alten Trasse bis nach Puerto Limon zu wandern, etwas für den nächsten Urlaub. Gerade als es richtig zur Sache geht, hoch auf 1300m, setzt ein ultrafeiner Sprühregen ein. Er wischt den Schweiß beiseite und kühlt die erhitzte Haut.
Weil es schon spät am Tag ist nehme ich in Turrialba den Bus nach Guayabo. Dort ist die größte Ausgrabungsstätte der Ureinwohner Costa Ricas. Steinstrassen und einige Mauern lassen erahnen das hier einst eine an Kultur reiche Ansiedlung von Indios bestand. Einige Skulpturen mit Inschriften sind erhalten. Ein hervorragend gewählter Ort mit guter Fernsicht und fruchtbarem Boden, der zudem gut zu verteidigen war.
Die Rückfahrt nach Turrialba auf der gewundenen Strasse ist mit die beste Strecke die ich hier gefahren bin. Kein Verkehr und kunstvoll geformte Hügel in eindrucksvoller Kulisse. Tief unten im Tal erkennt man den Reventazon einer der besten fahrbaren Wildwasserflüsse im Land.
Mit dem Bus fahre ich noch am gleichen Tag nach San Jose und von dort nach Atenas zu den Apartamentos Atenas, einer hübschen Anlage die von deutschen Freunden betrieben wird.
20.12.05
Letzte Impressionen
Mein Hintern kann keinen Sattel mehr sehen, zwei Schweizer Freunde laden mich ein zu einer Badefahrt mit dem Jeep an den Pazifik. In Tarcoles auf der Brücke halte ich zum ersten Mal, um die mächtigen Krokodile anzuschauen die am Ufer geduldig auf der Lauer liegen. Dann geht’s weiter zum Playa Agujas. Während wir faul am Meer liegen fliegt ein roter Ara lautstark vorbei. Er wählt die Meermandelbäume am Strand um seinen Hunger mit den Früchten zu stillen. Ein Tico fängt in kurzer Zeit 10 große Fische mit seiner kleinen Barke. Er hat sich an dem einsamen Strand samt Familie vorübergehend häuslich eingerichtet. Beim Ausnehmen seines Fanges umkreisen uns zahlreiche Fregattvögel. Ein herrliches Schauspiel mit welchen Manövern sie ohne zu landen ihre Beute vom Boden pflücken. Ihre langen schwarzen Schwingen sind kühn und vollendet geformt. Für kleine Schildkröten und Fische sind diese schnellen Raubvögel der vollkommene Albtraum.
Am Abend fahren wir hoch zum Hotel La Caleta das in bester Lage 300m über dem Pazifik thront. Vom Pool hat man einen freien Blick aufs Meer und so den Eindruck in diesem zu schwimmen. Das letzte Licht sucht sich den Weg durch vereinzelte Löcher in den Wolken und fällt wie ein Spot auf magisch leuchtende Flecken im Wasser. Das Meer spielt an diesem Abend mit all seiner Faszination all den Facetten deren es mächtig ist.
Sanft wie eine Amme wiegt es sich und spiegelt den Himmel auf seiner silbernen Haut. Es ist mein Abschied vom Pazifik, mir bleibt nur das Salz auf den Lippen das Rauschen im Ohr und unvergessliche Eindrücke im Herzen.
Copyright Robert Mayer 2009





















